LGBT-Community

Stolz und sichtbar: An diesem Sonnabend findet der CSD statt

Nach dem digitalen Christopher Street Day im vergangenen Jahr ist die Parade 2021 wieder auf der Straße. Warum die LGBT-Community die Demo mehr denn je braucht.

Out, Loud and Proud: Die Vorkämpfer für die Rechte der LGBT, Marsha P. Johnson, Joseph Ratanski und Sylvia Rivera (v.l.n.r.) beim CSD 1973 in New York. Das Gemälde von 2016 stammt von dem amerikanischen Künstler und Filmemacher Gary LeGault.
Out, Loud and Proud: Die Vorkämpfer für die Rechte der LGBT, Marsha P. Johnson, Joseph Ratanski und Sylvia Rivera (v.l.n.r.) beim CSD 1973 in New York. Das Gemälde von 2016 stammt von dem amerikanischen Künstler und Filmemacher Gary LeGault.Gary LeGault

Berlin-Es hat sich viel verbessert für die LGBT-Community seit dem ersten Christopher Street Day vor über 50 Jahren in New York. Andererseits ist es keine Woche her, dass Ungarns rechtskonservativer Regierungschef Viktor Orbán sich per Video an sein Volk wandte mit der Bitte, das von der EU kritisierte Gesetz zu unterstützen, das unter anderem Werbung verbietet, in der Schwule, Lesben oder Transsexuelle als Teil einer gesellschaftlichen Normalität erscheinen. Die EU-Kommission sieht das Gesetz zu Recht als diskriminierend an und hat Schritte gegen Ungarn eingeleitet, einen Mitgliedsstaat der EU, der keine Tagesreise von Berlin entfernt ist.

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Am 24./25. Juli 2021 im Blatt: 
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Hier geht an diesem Sonnabend der Pride Month mit dem traditionellen CSD zu Ende und die Organisatoren, der Berliner Christopher Street Day e. V., sieht auch hier seine Arbeit noch nicht an einem Punkt angelangt, an dem man sich von einer politischen Demonstration für die Gleichberechtigung verabschieden könnte, weil alles erreicht wurde, was die Community seit über einem halben Jahrhundert fordert: Akzeptanz und gesellschaftliche Gleichberechtigung in allen Bereichen des Lebens.

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Von Christian Gehrke, Mike Wilms

24.07.2021

32 Forderungen für mehr Gleichberechtigung

„Man braucht den CSD mehr denn je, und zwar nicht nur wegen der gesellschaftlichen Rolle rückwärts, die Länder wie Ungarn oder Polen gerade machen. Auch anderswo wird versucht, das, was wir erreicht haben, zurückzudrängen“, so Ulli Pridat vom Vorstand des Vereins. Der 32-Jährige verweist zudem auf die Einschnitte, die Corona für die LGBT-Community in den vergangenen anderthalb Jahren bedeutet hat: „Gerade 2021 ist es so wichtig wie noch nie, auf die Straße zu gehen und laut und sichtbar zu sein, denn die Community hat durch die Pandemie sehr viele Schutzräume verloren. Kaum auszudenken, wie das für einen jungen Menschen sein muss, der seine Identität noch sucht, sich als schwul, lesbisch, trans outen will, aber keinen Ort, keine Gruppe findet, die ihm dabei zur Seite steht. Umso wichtiger ist es nun, ein Zeichen zu setzen: Wir sind da, wir sind für euch da, wir gehen für euch und mit euch auf die Straße und kämpfen gemeinsam für eure Rechte“, so Pridat.

Nicht weniger als 32 Forderungen hat der Verein in diesem Jahr formuliert und diese unter dem Motto „Save Our Community – Save Your Pride“ zusammengefasst. So wird klar, dass der CSD-Verein nach seiner Neugründung in diesem Jahr die Demo wieder zu einer politischen Veranstaltung macht, eine Ausrichtung, die vor Corona von vielen Teilnehmern schmerzlich wurde. War der Berliner CSD doch in den vergangenen Jahren kaum noch von der Loveparade zu unterscheiden: eine hedonistische Sause. Lustig, laut, aber ohne wirkliche politische Ambition. So liegt der Fokus 2021 sicherlich nicht auf dem Feiern, „das wäre auch total unangebracht“, erklärt Pridat. „Wir werden dieses Jahr eine sehr politisch ausgerichtete Demonstration erleben mit fünf vereinseigenen Trucks und über 35 Redebeiträgen. Besonders stolz sind wir auf die Strecke, die zum ersten Mal im Osten der Stadt startet und die dieses Mal ganz anders verläuft: Wir starten im Osten auf der Leipziger Straße, ziehen am Bundesrat vorbei und am Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen. Die Strecke führt dann weiter über die Urania und endet in Schöneberg.“

Eine Party am Ende des Zuges, der gegen 17 Uhr im Nollendorfkiez ankommen soll, wird es nicht geben. Aber die Wirte in Schöneberg wissen von den dann wohl durstigen Paradeteilnehmern, so Pridat. Ein Bier zum Abschluss des ersten „echten“ CSD in Corona-Zeiten ist also durchaus drin in diesem Jahr.

43. Christopher Street Day Berlin, 24. Juli. Beginn 12 Uhr, Leipziger Straße, zwischen Charlottenstraße und Axel-Springer-Straße. csd-berlin.de


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