Raus aus der Stadt

Das Hanami-Glück in Werder – Wo jetzt die Blütenmeere locken

Raus aufs Land am Wochenende, da warten die Obstblüten darauf, sich bestaunen zu lassen: in und um Werder, zu Fuß, auf dem Rad, per Bus.

Fantastische Fülle: die Baumblüte in Werder (Havel).
Fantastische Fülle: die Baumblüte in Werder (Havel).dpa/Ralf Hirschberger

Vom zerbrechlichen Glück des schönen Augenblicks kündet die Zeit der Baumblüte in Werder (Havel). In voller Pracht zeigen sich auf rund 40 Hektar weiß und rosa blühende Sauerkirsch-, Aprikosen-, Pfirsich- und Apfelbäume in den Plantagen der Obstbauern an diesem (23./24. April) und am nächsten Wochenende. Es ist „Hanami“: „Blüten betrachten“ nennt man es in Japan, wenn Besucher die magischen Momente pflücken. Ideal ist das hierzulande per Rundfahrt im Bus mit beliebig langen Zwischenstopps oder auf einer Radtour.

Zwei Jahre lang hatte die Pandemie die Frühlingsfreude verhindert. Das traditionelle Baumblütenfest musste in diesem Jahr zum dritten Mal abgesagt werden, weil nichts vorab organisiert werden konnte. Aber die pure Blüte in ihrer verschwenderischen Fülle genügt durchaus.

Der Obstbauer Stefan Lindicke ist erleichtert, dass es endlich wieder so weit ist. „Dieses Jahr ist alles perfekt, das Wetter nicht zu kalt und nicht zu heiß, da hält die Pracht lange.“ Unter mehreren Hundert Bäumen kann man bei ihm, auf Strohballen sitzend und mit einem Glas Obstwein in der Hand, die Ruhe genießen und dabei die weißen pflanzlichen Wolken bestaunen. Dafür steigt man an der Blütenbus-Haltestelle Werderaner Tannenhof aus und läuft zur Straße Am Plessower Weg 1.

Obsthöfe mit Plantagen und Ausschank

Insgesamt zehn Haltestellen fährt der Bus an, an jeder warten Obsthöfe mit Plantagen – voller Blüten natürlich –, dazu Ausschank, Imbiss und Hofverkauf. Der erste Bus startet um 9.50 Uhr morgens am Bahnhof Werder, der letzte des Tages um 14.50 Uhr. Für 8 Euro geht die Rundfahrt längstens bis 16.06 Uhr, dann ist der letzte Bus zurück am Bahnhof.

Weg von den viel befahrenen Straßen führt der Panoramaweg Werderobst für Radler. 22 Kilometer lang ziehen sich gut befestigte ebene Wege von Petzow am Glindower See entlang, hoch auf die Glindower Alpen (keine Angst, für die Abraumhalden des Tonabbaus muss man nicht absteigen). Beendet ist er am Derwitzer Mühlenberg. Auch hier säumen Obsthöfe mit umfangreichem Angebot den Weg. Oben auf Hügeln wie dem 69 Meter hohen Fuchsberg lassen sich Obst- und Wasserflächen aus besonderen Perspektiven betrachten.

Wer ganz im Städtchen Werder bleiben möchte, kann zu Fuß auf die Insel laufen und beim Obsthof Wache an der Fischerstraße 58 einkehren. Oder den kurzen Weg hoch zum Werderaner Wachtelberg nehmen und sich dort sonnabends und sonntags von 10 bis 20 Uhr, freitags ab 14 Uhr Schoppen mit Müller-Thurgau, Saphira und Dornfelder Reben schmecken lassen. Aussicht garantiert!

Die spannendste Zeit für die Obstbauern

Wie wird es werden, das Wetter? Diese Frage steht über allem in den Wochen bis Anfang Juni. Es ist für die Landwirte die spannendste Zeit im Jahr, sie entscheidet über Gewinn und Verlust. Stefan Lindicke beschreibt, wie die Obstbauern rund um die Uhr das Wetter kontrollieren. „Zu starke Minusgrade können bis zu 60 Prozent der späteren Ernte zerstören.“

Die Sorge verringern könnte ab nächstem Jahr eine technische Neuerung, an der der Werdersche Obst- und Gartenbauverein gerade arbeitet. Reinhard Schmidt, der Vorsitzende, erläutert das Projekt: „Wir wollen kurzfristig innerhalb weniger Stunden vor Frostnächten die zarten Blüten mit Wasser umhüllen und so einfrieren. Unter dem hauchdünnen Eis entsteht tatsächlich Wärme.“ Weinbauern arbeiten mit dieser Methode der Frostschutzbewässerung schon einige Zeit erfolgreich. In Glindow wird dafür zurzeit ein Wasserwerk ertüchtigt, Anfang nächsten Jahres sollen Schläuche auf den Anbauflächen ausgelegt werden. Aus ihnen sprüht dann das Wasser nach oben in die Bäume. Den Rest Arbeit an der beschützenden Hülle besorgt Chione, die Göttin des Eises, höchstselbst.