Sommer 2023

Berliner CSD 2023: Die große Party steigt – und die Staatsanwaltschaft ermittelt

Am 22. Juli zieht die queere Demonstration wieder durch die Innenstadt. Doch die Vorwürfe finanzieller Untreue gegen zwei Vorstandsmitglieder stehen im Raum.

Zahlreiche Menschen feiern beim Christopher Street Day (CSD) vor der Bühne am Brandenburger Tor.
Zahlreiche Menschen feiern beim Christopher Street Day (CSD) vor der Bühne am Brandenburger Tor.Monika Skolimowska/dpa

In knapp einer Woche ist es so weit: Am 22. Juli wird der Demonstrationszug des 45. Berliner Christopher Street Day (CSD) durch das Stadtzentrum ziehen. Dabei werden Mitglieder der Berliner LGBTQI+-Communitys und ihre Verbündeten mit lauter Musik und Outfits auf die Straße gehen und für queere Rechte hier und in der ganzen Welt eintreten. Vorhergesagt wurden moderate Temperaturen um die 24 Grad Celsius, eine halbe Million Demonstranten werden erwartet: Damit könnte der Berliner CSD in diesem erstmals wieder so groß werden wie vor Pandemiezeiten.

Nach monatelanger Planung sind Vorfreude und Aufregung groß, hieß es in einer Pressekonferenz des zuständigen Berliner CSD e.V. am Donnerstag. „Wir sind ready“, so das Vorstandsmitglied Ulli Pridat. Die diesjährige Demonstration trägt das Motto „Be their voice – and ours! … für mehr Empathie und Solidarität“. „Das steht dafür, dass wir als Berliner CSD und die ganze Community denjenigen eine Stimme geben sollen, die sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen“, so Pridat. Zu den vier Schwerpunkten des CSD in diesem Jahr gehören Regenbogenfamilien, queere Communitys in Osteuropa, Fetisch sowie HIV im 40. Jubiläumsjahr der Deutschen Aidshilfe.

Berlins queere Community fordert ein „Grundgesetz für alle“

Der CSD sei keine Parade oder Straßenfest, so die Veranstalter, sondern eine Demonstration für die Rechte und Sichtbarkeit von LGBTQI+-Menschen. In einem 22-seitigen Forderungskatalog stellt der Verein seine Wünsche vor: unter anderem zur Bekämpfung von Hassverbrechen gegen queere Menschen, zur Bildung und zu einem „Grundgesetz für alle“, das im Artikel 3 ausdrücklich die gesamte Bandbreite der queeren Community schützen soll. Neben Drag-Performances und musikalischen Auftritten von Künstlern wie Tokio Hotel wird das Bühnenprogramm des Tages auch politisch geprägt sein; außerdem werden Aktivisten aus einigen der 64 Länder der Welt auftreten, in denen Homosexualität noch unter Strafe steht.

Auch Berlins neuer und erster Queer-Beauftragte Alfonso Pantisano betonte die aktivistische Bedeutung des CSD. „Rechte Kräfte sind auf der ganzen Welt auf dem Vormarsch“, sagte er. „Dabei machen sie eines ganz klar und deutlich: Wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen, unsere Rechte und Errungenschaften zurückzudrehen, dann werden sie das auch tun.“ Er nennt den Anti-LGBT-Kurs der italienischen Regierung „erschreckend“, ebenso die Unterdrückung von queeren Büchern in Ungarn. Auch in Deutschland sehe er noch „Luft nach oben“, sei es durch das ständige Ausbremsen des Selbstbestimmungsgesetztes oder die Schwierigkeiten, denen sich queere Eltern gegenübersehen.

Doch das diesjährige Programm wird etwas überschattet. Vor einigen Wochen berichtete die Berliner Zeitung über Vorwürfe gegen Vorstandsmitglieder des CSD Berlin e.V.; 14 Vereinsmitglieder behaupten, mindestens Ulli Pridat habe die Demo privatwirtschaftlich ausgenutzt. Im Raum steht außerdem eine mögliche Schadensersatzforderung von rund 178.000 Euro an eine Eventagentur. Der Anwalt des Vereinsvorstands dementiert alle Vorwürfe. In der Pressekonferenz geht niemand aus dem Vorstand ausdrücklich auf sie ein.

Doch es gibt weitere Fragen, was die Rolle der die Agentur bluCom Communication & Events GmbH betrifft, dessen Gesellschafter und Geschäftsführer Ulli Pridat ist. In diesem Jahr werden 77 Fahrzeuge Teil des Demonstrationszugs bilden. 75 davon sind Trucks, die von Community-Gruppen sowie kommerziellen Sponsoren wie Lieferando und Mercedes-Benz betrieben wird. Das sind 20 weniger als beim letztjährigen CSD. Grund für die Reduzierung sei das Nachhaltigkeitskonzept der Veranstaltung in diesem Jahr, zu dem etwa auch ein Glasflaschenverbot gehört. Dabei werden aber 27 Trucks durch bluCom betrieben, das sind zehn mehr als im vergangenen Jahr.

Vorstand verteidigt sich gegen Kommerzialisierungs-Vorwürfe

Dass sein Unternehmen von der Kappung der Wagenzahlen profitiert haben könnte, wies Pridat zurück. „Wir haben eine ganz klare Vergaberichtlinie nach einem ‚First Come, First Served‘-Prinzip“, sagte er. Er sei auch nicht in den Vergabeprozess der Trucks involviert gewesen, insofern habe es keine Bevorteilung gegeben. Er verteidigt seinen Verein auch gegen Vorwürfe einer unangemessenen Kommerzialisierung des CSD; offizielle CSD-Produkte werden an einem Info-Stand des Vereins verkauft. Zum Verkauf werden etwa Kleidungsstücke mit der Regenbogenfahne der Pride-Bewegung, aber auch Fetischartikel wie Jockstraps angeboten. Solche Beispiele seien kein reiner Kommerz, sagt Ulli Pridat, denn sie sollten auch für Sichtbarkeit und Anerkennung von marginalisierten Gruppen sorgen.