Es ist der 25. Verhandlungstag, an dem Gul A. endlich etwas zu der Tat sagt, die ihm vorgeworfen wird. Lange Zeit hatte er auch an diesem Montagvormittag vor der Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts über die nach seiner Meinung nicht erfolgte Scheidung von seiner Frau Zohra G. gesprochen, wie er es schon an vorherigen Prozesstagen getan hatte.
Dann endlich, nachdem der Vorsitzende Richter ihn aufgefordert hat, vom Tattag zu berichten, kommt der 43-jährige Mann aus Afghanistan auf den Punkt. Er redet. Darüber, dass er am 29. April vorigen Jahres in Pankow seinen Bus verpasst habe, dass seine Frau Zohra G. plötzlich hinter ihm gestanden und ihm gesagt habe, er solle verschwinden. Die sechs Kinder seien nicht von ihm.
Gul A. erzählt, dass er die Kontrolle verloren habe. Er spricht nicht von der Tat, nicht davon, dass er an der Mühlen-, Ecke Maximilianstraße ein Messer gezogen und 13-mal auf die 31-jährige Zohra G. eingestochen habe. Er sagt nicht, dass er ihr dann die Kehle durchtrennt habe, wie es in der Anklage steht. Angeblich fehlen ihm die Erinnerungen daran. Er habe einen Bericht im Fernsehen über die Tat gesehen und nicht glauben können, was er getan haben soll. „Ich schäme mich, bin ein Idiot“, sagt er. Gul A. muss sich wegen Mordes an seiner Ehefrau vor Gericht verantworten.
Zohra G. wollte die Trennung von Gul A.. Sie habe ihm die Kinder vorenthalten, klagt der Angeklagte. Das habe ihm das Herz gebrochen. „Wenn ich die Kinder gesehen und sie mich nicht beleidigt hätte, wäre nichts passiert“, übersetzt der Dolmetscher die vorwurfsvollen Worte. Beide würden sie noch heute ganz normal in Deutschland leben. Das Messer hatte er sich nach einem Angriff besorgt. „Nur zu meiner Verteidigung.“
„Ich habe das nicht gemacht, weil ich das wollte“, erklärt Gul A.. Zohra G. sei seine Frau gewesen, die Mutter seiner sechs Kinder. Ihm sei vorgeworfen worden, er habe das Messer gekauft, um seine Frau umzubringen. „Das stimmt nicht.“ Dann sagt er, Zohra G. habe weder das deutsche noch „unser Recht geachtet“. Sie habe gemacht, was sie wollte. „Ein Vater darf seine Kinder immer sehen. Warum nicht ich?“, fragt er.
Gul A. soll gewalttätig gewesen sein
Die afghanische Familie von Zohra G. hatte Gul A. zum Bräutigam bestimmt. Er soll schon zu Beginn der Ehe seiner Frau gegenüber gewalttätig gewesen sein. Doch offenbar hatte die Familie auf Zohra G. eingewirkt, ihm noch eine Chance zu geben. Danach sei sie sehr still geworden und habe nicht mehr aufbegehrt, hatte ihre Schwester nach dem Tod von Zohra G. ausgesagt.
Ihr hatte diese auch anvertraut, dass sich Gul A. nach ihrer Flucht nach Berlin nicht geändert hätte. Er schlage sie am Tage und vergewaltige sie in der Nacht, soll die sechsfache Mutter ihrer Schwester und auch einer Freundin anvertraut haben. Die Schwester riet offenbar zur Trennung.
Dagny Luther, die psychiatrische Sachverständige in dem Verfahren, nennt Gul A. eine histrionische Persönlichkeit, einen Mann, der immer im Mittelpunkt stehen müsse. Sie spricht von einer Selbstbezogenheit des Angeklagten und einer zur Schau gestellten Dramatik und Theatralik, die auch im Prozess zutage getreten seien. Dagegen sei keine erhebliche psychiatrische Störung erkennbar, keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung.
Im Gegenteil: Gul A. habe seine Umgebung zur Tatzeit noch ausreichend wahrgenommen, Zeugen, die seiner Frau helfen wollten, mit dem Messer bedroht. Eine halbe Stunde nach der Tat habe er afghanische Bekannte angerufen und erklärt, er habe seine Frau umgebracht. Auf die Frage nach dem Warum habe Gul A. geantwortet: „Die hat nicht auf mich gehört, hat mich rausgeschmissen.“ Die Einschätzung der Expertin bedeutet, das der Angeklagte wohl voll schuldfähig ist.



