„Ich bin doch nicht bescheuert, für so einen Bastard 18 Jahre lang zu zahlen.“ Klaus-Dieter W., der als sogenannter Alimente-Mörder Schlagzeilen machte.
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Am 1. Juli 1997 werden Heike Nagler und ihr Baby zum letzten Mal lebend gesehen. Die 23-Jährige verlässt an diesem Tag kurz vor zehn Uhr ihre Wohnung in der Goethestraße in Frankfurt (Oder). Sie nimmt ihre Handtasche mit, in der ihr Ausweis, ihre Fahrzeugpapiere, der Autoschlüssel und ihre Krankenkassenkarte sowie ein Babyfläschchen und ein Fläschchenwärmer aus Stoff stecken.
Ihren gerade einmal vier Monate alten Sohn Göran hat sie in einen tragbaren Autokindersitz gesetzt. Der Hausmeister hält der jungen Frau mit dem Baby noch die Tür auf, als sie das Haus verlässt. Heike Nagler bedankt sich höflich. Die nur 1,44 Meter große Frau hat schwer an dem Kindersitz zu tragen. Der Hausmeister sieht, so wird er später als Zeuge aussagen, wie sie eine Treppe neben dem Wohnblock hinaufsteigt. Die Stufen führen zur Witzlebener Straße, dort befindet sich ein Angelgeschäft. Dann sind Mutter und Kind verschwunden; ihr Schicksal ist für lange Zeit ungeklärt.
Heike Nagler wurde von ihren Großeltern großgezogen, da sich die kranke Mutter nicht um ihre Tochter kümmern konnte. Oma und Opa leben im selben Mehrfamilienhaus wie ihre Enkelin. Heike Nagler wohnt im Erdgeschoss, die Großeltern leben in einer Wohnung zwei Etagen höher.
Als ihre Enkelin und deren kleiner Sohn nicht wie jeden Tag um zwölf Uhr zum Essen erscheinen, machen sich die Großeltern Sorgen. Heike Nagler gilt als zuverlässig, sie hätte Bescheid gesagt, wenn sie wegen eines Termins mittags nicht bei Oma und Opa erscheinen würde. Die Großmutter hat einen Schlüssel zu Heike Naglers Wohnung. Sie schaut nach, sieht, dass der Kindersitz und die Handtasche der jungen Mutter fehlen.
Großeltern erstatteten Vermisstenanzeige
Als Heike Nagler und ihr Baby verschwunden bleiben, gehen die Großeltern zur Polizei und geben eine Vermisstenanzeige auf. Die Ermittlungen ergeben, dass die verschwundene Frau lange Zeit Streit mit dem Vater ihres Sohnes um den Unterhalt hatte. Klaus-Dieter W. weigerte sich, die Vaterschaft für den Jungen anzuerkennen.
Drei Wochen vor ihrem Verschwinden hatte Heike Nagler einen Anwalt aufgesucht, der kurz darauf am Amtsgericht Frankfurt (Oder) Klage gegen Klaus-Dieter W. auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung eines monatlichen Unterhalts für den kleinen Göran einreichte.
Der 43-jährige Klaus-Dieter W. ist Friedhofsgärtner, ein Arbeitskollege von Heike Nagler. Sie hatten sich 1992 beim Grünflächenamt der Oderstadt kennengelernt und waren eine intime Beziehung eingegangen. Die junge Frau verliebte sich in den 20 Jahre älteren Mann. Sie glaubte seiner Beteuerung, er werde seine Lebensgefährtin und die Kinder verlassen und sie heiraten. Als Heike Nagler 1996 schwanger wurde, drohte er ihr. Es würde etwas passieren, sollte sie verraten, dass er der Vater sei.

Schon aus seiner ersten Ehe waren drei Kinder hervorgegangen, für die Klaus-Dieter W. Unterhalt zahlen musste, was nicht einfach war bei einem Nettogehalt von 2000 Mark. Auch mit seiner derzeitigen Lebensgefährtin hatte er drei Kinder. Der passionierte Freizeitangler brauchte auch Geld, um sich regelmäßig Ausrüstungsgegenstände für sein Hobby kaufen zu können. Zudem musste er den Kredit für ein Auto abzahlen.
Klaus-Dieter W. ist verschuldet, ein weiteres Kind wollte er auf keinen Fall. Und entgegen seiner Beteuerung hatte er auch niemals vor, sich von seiner Lebensgefährtin zu trennen. Doch Heike Nagler freute sich auf ihr Kind, sie fühlte sich wohl in ihrer Mutterrolle und war zunächst wohl auch noch überzeugt, Klaus-Dieter W. für ein gemeinsames Leben gewinnen zu können.
Schon sehr früh gehen die Ermittler davon aus, dass Heike Nagler und ihr Sohn einem Tötungsverbrechen zum Opfer fielen. In den Fokus gerät Klaus-Dieter W. Er hat ein Motiv, will keine Alimente zahlen. Das Jugendamt und auch Heike Naglers Großeltern wussten davon.
Am Tag des Verschwindens der jungen Frau und des Säuglings war der Kindsvater arbeiten, mit einem Kollegen in der Stadt unterwegs. Sie sollten eine Hecke schneiden. Nicht immer hatte der Kollege dabei Klaus-Dieter W. im Blick. Nicht auszuschließen, dass er für kurze Zeit vom Arbeitsplatz verschwand. Doch reichte die Zeit, um Mutter und Kind umzubringen und die Leichen zu verstecken? Und wo sind die Toten?
Die Fahnder suchen Seen ab, an denen Klaus-Dieter W. regelmäßig angelt, sie durchstreifen Wälder. Sogar auf einem Friedhof, für den das Grünflächenamt zuständig ist, schauen die Ermittler genauer nach. Sie schließen nicht aus, dass W. die Leichen seiner Geliebten und seines Sohnes in ein fremdes Grab gelegt hat.
Auch ein Haus im Frankfurter Ortsteil Lossow, das Verwandten von Klaus-Dieter W. gehört, durchsuchen sie. Die Hausbesitzer waren im Juni und Juli zwei Wochen im Urlaub, und der Gärtner sollte sich um die Blumen und den Hund kümmern. Doch auch diese Aktion bringt keinen Hinweis darauf, was mit Heike Nagler und ihrem Baby geschehen ist.
Trotzdem wird Klaus-Dieter W. am 10. Dezember 1997 festgenommen und Haftbefehl erlassen. Jedoch fehlen den Mordermittlern die wichtigsten Beweise: die Leichen von Mutter und Kind. Und der Beschuldigte leugnet, etwas mit dem Verschwinden seiner einstigen Geliebten und dem gemeinsamen Sohn zu tun zu haben.
Da schließlich kein dringender Tatverdacht begründet werden kann, kommt W. nach einer Woche Untersuchungshaft wieder frei. Obwohl die Mordermittler überzeugt davon sind, dass er in dem Vermisstenfall seine Hände im Spiel hat. Aber das reicht dem Ermittlungsrichter nicht. Die Mitarbeiter der Mordkommission kommen auch in den nächsten Monaten nicht weiter. Ein Jahr später wird das Verfahren vorläufig eingestellt.
Tatverdächtiger saß nur eine Woche in Untersuchungshaft
Anfang Juli dieses Jahres sitzt Michael Halbach in einem Besprechungssaal der Polizeidirektion Ost in Frankfurt (Oder). Er ist bereit, über diesen alten Fall zu reden. Der Kriminalhauptkommissar ist 57 Jahre alt und seit fast drei Jahrzehnten bei der Polizei. Im Jahr 2002 wechselte er in die Mordkommission. Da waren Heike Nagler und ihr Sohn schon seit fünf Jahren verschwunden.
Halbach ist ein großer, sportlich wirkender Mann mit wachem Blick und einer freundlichen Ausstrahlung. Als er zur Mordkommission kam, beschäftigte er sich intensiv mit dem Fall Heike und Göran Nagler. „Ich wurde beauftragt, noch einmal die Akten durchzugehen, habe mir alle Ermittlungsergebnisse angeschaut und auch die Aussagen der Zeugen gelesen“, erinnert er sich. Manchmal, so sagt er, bringe ein frischer Blick den entscheidenden Hinweis. Halbach kennt den Fall, der für so viele Schlagzeilen sorgte, vermutlich so gut wie kein zweiter Ermittler.

Der Kriminalist las, dass Klaus-Dieter W. versucht hatte, seine Geliebte vor ihrem Verschwinden zum Nachtangeln einzuladen, zu einer Autotour nach Polen, zu seinem Bruder nach Schwedt oder zu einem Haus in der Nähe. Das hatten die Großeltern der vermissten Frau ausgesagt. Und er wusste, dass Heike Nagler diesen Einladungen misstrauisch gegenübergestanden hatte. „Der spinnt“, soll sie ihrem Großvater zu den Avancen von Klaus-Dieter W. gesagt haben. „Sie wollte mit dem Kindesvater nichts mehr zu tun haben, war in der Mutterrolle angekommen und wollte nur, dass er sich zu seinem Sohn bekennt“, erzählt Halbach.
Er kann durchaus verstehen, dass Klaus-Dieter W. damals aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste. „Es galt die Unschuldsvermutung“, erklärt der Kriminalist. Heike Nagler hätte als erwachsene Frau durchaus auch freiwillig ihren Lebensmittelpunkt verlassen haben können. Vielleicht hatte sie auch einen anderen Mann kennengelernt.
Halbach fuhr damals mit Kollegen auch noch einmal die Strecken ab, die W. zum Angeln oder zum Tanken nach Polen zurückgelegt hatte. Doch auch diese Ermittlungen brachten keine neuen Erkenntnisse. Dann, so sagt es Halbach, sei Kommissar Zufall zu Hilfe gekommen.
Im Jahr 2004 verlässt Klaus-Dieter W. seine Lebensgefährtin Elfriede L. und die Kinder. Er hat eine neue Frau kennengelernt und zieht zu ihr. In einem Gespräch mit ihrer Mutter deutet Elfriede L. an, etwas über das Verschwinden Heike Naglers zu wissen. Die Mutter vertraut sich daraufhin einem pensionierten Polizisten an, der wiederum seine einstigen Kollegen der Mordkommission informiert.
So erfährt auch Michael Halbach von der Trennung und den Andeutungen. Er gilt als erfahrener Kriminalist, ist geduldig, emphatisch und hartnäckig. Halbach nimmt Kontakt zu Elfriede L. auf und bietet ihr ein Gespräch an. Sie willigt ein.
„Die Frau stand enorm unter Druck“, erinnert sich Michael Halbach fast 20 Jahre später an ihr erstes Treffen. Wichtig sei gewesen, dass die Chemie zwischen ihnen gestimmt habe. Trotzdem habe sich Elfriede L. mitnichten sofort geöffnet und ihr Wissen preisgegeben. Deswegen initiierte Halbach weitere Begegnungen.
Ex-Partnerin hatte enorme Angst vor Klaus-Dieter W.
Schon in der ersten Vernehmung habe er die enorme Angst dieser Frau spüren können, erinnert sich der Kriminalhauptkommissar. Denn, so stellte sich nach und nach heraus, Klaus-Dieter W. hatte ihr nicht nur einmal gedroht: Wenn sie zur Polizei gehe, dann würde er die Häuser ihrer Familie abfackeln, „dass da keiner lebend rauskommt“. Oder: „Wenn du nicht ruhig bist, dann kommst du dahin, wo die andere ist.“
Da Elfriede L. beim Grünflächenamt der Oderstadt arbeitete, bei dem auch noch immer Klaus-Dieter W. angestellt war, trafen sich der Ermittler und die Zeugin meist nach Feierabend in der Dienststelle, später auch an anderen Orten – damit Klaus-Dieter W. nicht misstrauisch wird. Ziel sei es gewesen, Vertrauen aufzubauen und ihr die Angst vor einer wahrheitsmäßigen Aussage zu nehmen, sagt Halbach.
Fast ein Jahr lang liefen die Gespräche, erinnert sich der Kriminalist. Dann, eines Tages, kam der erste relevante Hinweis von Elfriede L., wo die Leichen von Heike Nagler und ihrem Sohn versteckt sein könnten. Es war bei einem Treffen spät am Abend in Halbachs Büro. „Die Zeugin wollte gehen. Sie hatte schon die Klinke in der Hand, als sie mich traurig anschaute“, sagt der Ermittler. Er habe gespürt, dass der Frau etwas auf der Seele lag, gefragt, ob sie etwas Wichtiges wisse. „Sie ging dann langsam zum Schreibtisch zurück, setzte sich noch einmal, bat mich, mitzuschreiben und begann zu reden.“

Es ist Sommer 2005, als Elfriede L. erstmals konkrete Angaben macht und von dem Haus in Lossow und einem nahegelegenen Waldstück spricht. Sie erzählt, dass sie und Klaus-Dieter W. am Tag des Verschwindens von Heike Nagler und deren Sohn abends zu dem Haus der verreisten Verwandten gefahren seien, um nach dem Rechten zu sehen. Im Kofferraum des Autos habe ein Spaten gelegen, erzählt die Frau dem Ermittler. Als sie ihren Lebensgefährten darauf angesprochen habe, habe Klaus-Dieter W. zunächst herumgedruckst.
„Ich muss dir was erzählen“, soll er schließlich gesagt haben. Um dann, nach einer längeren Pause, fortzufahren: Er habe eine vom Friedhof kennengelernt, mit der er ein Techtelmechtel gehabt habe. „Aber die Olle bin ich nicht mehr losgeworden. Die ist mir auf den Sack gegangen“, so gibt Elfriede L. seine Worte wieder. Das Geschehen hatte sie in einer Art Tagebuch festgehalten. Weiter hieß es dort, er habe der Frau „eine vorn Kopp gehauen“.
Als Elfriede L. fassungslos fragte, was das bedeute, sagte Klaus-Dieter W., er habe die Frau am Vormittag von Zuhause mit dem Auto abgeholt, sei mit ihr in einen Wald gefahren. Dort habe er ihr gesagt, sie solle mal zu einem Vogel schauen. Das habe sie auch getan. Und er habe ihr mit der Handkante ins Genick geschlagen. Sie sei umgefallen und liegengeblieben.
Ihren Vorschlag, zur Polizei zu gehen, habe Klaus-Dieter W. mit den Worten kommentiert: „Dir haben sie wohl ins Gehirn geschissen.“ Dann sagte er ihr, sie sei jetzt Mitwisserin, wenn sie zur Polizei gehe, werde sie eingesperrt und die Kinder kämen ins Heim. Elfriede L. nahm die Drohung ernst. Kurz darauf fuhr sie mit Klaus-Dieter W. zu einem Wald. Während ihr Lebensgefährte mit dem Spaten zwischen den Bäumen verschwand, sollte sie mit dem Hund am Auto warten.
Doch Elfriede L. war neugierig, sie lief ihrem Mann hinterher, sah Klaus-Dieter W. bis zur Brust in einem Loch stehen und graben. Als er seine Frau wahrnahm, zischte er: „Verpiss dich!“
Noch am selben Abend, so erzählt es die Zeugin, habe sie die Kleidung ihres Mannes waschen müssen. Die Schuhe, die er im Wald getragen hatte, warf er weg. Erst später, als die Medien über das Verschwinden von Heike Nagler und ihrem Kind berichteten, soll Klaus-Dieter W. seiner Lebensgefährtin gestanden haben, dass er der Vater des Jungen sei und das Kind ebenfalls getötet habe. „Ein Handkantenschlag war nicht erforderlich. Ein Baby braucht ja nicht viel“, soll er Elfriede L. gesagt haben. Und als sie ihn fragte, ob es nicht besser gewesen wäre, Unterhalt für das Kind zu zahlen, soll er geantwortet haben: „Ich bin doch nicht bescheuert, für so einen Bastard 18 Jahre lang zu zahlen“.
Besuch der Kriminalpolizei bei Klaus-Dieter W.
Ein Jahr nach dem Verschwinden von Mutter und Kind schlug Klaus-Dieter W. seiner Lebensgefährtin die Verlobung vor. Nicht aus Liebe. „Dann brauchst du bei der Polizei nichts zu sagen“, soll er den Schritt begründet haben. Sie habe sich sogar den Verlobungsring selbst kaufen müssen, sagt Elfriede L. der Polizei.
Michael Halbach erinnert sich, wie er nach den Vernehmungen von Elfriede L. den Tatverdächtigen an seinem neuen Haus aufgesucht hatte. „Ich wollte den Menschen persönlich kennenlernen und mich von seiner möglichen Täterschaft überzeugen“, sagt er. In dem Ort, in dem Klaus-Dieter W. mit seiner neuen Freundin lebte, war auf einem Sportgelände eingebrochen worden. Mit einem Kollegen ging er von Haus zu Haus, um Zeugen zu finden. Dem Verdächtigen stellten sie sich als Kriminalpolizei vor und warteten dann noch etwa zehn Sekunden wortlos ab. Halbach wollte sehen, wie ihr Besuch auf Klaus-Dieter W. wirkt.
„Es war die klassische Reaktion eines Überführten, wie bei einem ertappten Kind“, erzählt der Kriminalhauptkommissar. W. habe an der Garage gestanden. „Mit starrem Blick, geschockt, erschrocken, stumm.“ Als sie dann nach der Pause sagten, sie kämen wegen des Einbruchs, sei sichtbar eine Last von ihm abgefallen. Klaus-Dieter W. wirkte froh, dass die Beamten nicht seinetwegen gekommen waren. „Von diesem Augenblick an war für mich klar, er hat die Frau und ihr Kind umgebracht.“
Aufgrund der neuen Erkenntnisse wurde Haftbefehl erlassen und Klaus-Dieter W. am 18. April 2006 erneut wegen des dringenden Tatverdachts, Heike Nagler und ihren Sohn umgebracht zu haben, festgenommen. „Er nahm es kalt auf, war von sich überzeugt“, erinnert sich Halbach. Als man ihn zu dem Waldstück in Lossow führte, an dem ein riesiges Polizeiaufgebot und Technik zum Graben auf den Einsatz warteten, schien er überhaupt nicht nervös zu werden. „Es war auch kein Wunder“, sagt der Kriminalist. Denn es sei der falsche Ort gewesen, an dem kurz darauf die Suche nach den verscharrten Leichen beginnen sollte.
Die Zeit verrann. Das Waldstück hinter der Kurve eines Feldwegs, das Elfriede L. den Fahndern gezeigt hatte, wurde Streifen für Streifen abgesucht, zwei Meter tief gegraben, nichts gefunden. Zweifel an ihrer Arbeit sei den Kolleginnen und Kollegen der Mordkommission nicht gekommen, sagt Halbach heute. Und gab es Zweifel an der Aussage der einstigen Lebensgefährtin des Tatverdächtigen? Halbach schüttelt den Kopf. „Wir alle glaubten ihr."

Die Mitarbeiter der Mordkommission seien damals noch einmal das gesamte Gebiet abgelaufen und auf eine Stelle gestoßen, die fast so ausgesehen habe wie der Ort, den Elfriede L. beschrieben hatte: eine Lichtung mit Schlehenbüschen und Eichen und einem Feldsteinhaufen, der nicht einfach so dort abgekippt, sondern eher aufgestapelt schien.
Am 12. Juni 2006, die Suche lief bereits sieben Wochen, werden die Feldsteine weggeräumt, nun beginnen dort die Grabungen. Das erste, was zum Vorschein kommt, ist ein weißer Plastik-Kindersitz. Darunter liegen die sterblichen Überreste von Heike Nagler und ihrem Sohn Göran. Auch die Handtasche mit den Papieren der Toten wird gefunden. Und ein Babymützchen, das der Mörder achtlos in das Grab geworfen hatte.
Die Obduktion ergibt, dass Heike Nagler mit einer Axt, einem Schlosserhammer oder einem Spaten getötet wurde. Das Baby sei erschlagen oder erdrosselt worden, heißt es später im Urteil gegen Klaus-Dieter W. Vermutlich hatte der Kindsvater die junge Mutter am Tattag gegen zehn Uhr unter dem Vorwand in seinen Dienstwagen gelockt, mit ihr zum Jugendamt fahren zu wollen, um dort die Vaterschaft für den Jungen anzuerkennen.
Vater des Kindes zu lebenslanger Haft verurteilt
Stattdessen fuhr er mit ihr zu dem zehn Kilometer entfernten Waldstück in Lossow, in dem er bereits eine Grube vorbereitet hatte. Nach der Tat bedeckte er die Leichen nur provisorisch mit Zweigen, um gegen 11.30 Uhr wieder an der Hecke zu sein, die er beschneiden und an der ihn sein Kollege zur Mittagspause abholen sollte
Michael Halbach erinnert sich, wie er mit dem Ausweis der getöteten Frau in die Haftanstalt zu Klaus-Dieter W. fuhr. Er wollte ihm noch einmal die Möglichkeit einer Aussage geben. Dort habe er das erste Mal eine emotionale Reaktion bei dem Mann festgestellt. Er sei rot geworden, die Atmung habe sich verändert, der Blick hinter den Brillengläsern sei glasig geworden. Doch ein Geständnis legte der Mann bis zum Schluss nicht ab.
Klaus-Dieter W. wurde im Dezember 2006 wegen Mordes an Heike Nagler und ihrem Baby zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Richter sahen die Mordmerkmale Habgier und Heimtücke als erwiesen an. Zudem stellten sie die besondere Schwere der Schuld fest, sodass der Angeklagte nach 15 Jahren nicht auf Bewährung entlassen werden konnte.
Für Michael Halbach war es kein gewöhnlicher Fall, wie er betont. Natürlich sei die Lösung des Falls Teamarbeit gewesen, auch wenn der zündende Funke von seiner Arbeit gekommen und es ihm gelungen sei, Elfriede L. die Angst vor einer Aussage zu nehmen. „Wenn ich es nicht geschafft hätte, dann hätte es eine Kollegin oder ein Kollege versuchen müssen“, sagt er.
Und wie hat die Familie von Heike Nagler und dem kleinen Göran auf die Lösung des Falls reagiert? Der Großvater von Heike Nagler sei am Verschwinden seiner Enkelin zerbrochen und im Jahr 2004 gestorben, sagt Halbach. Dies habe ihm die Großmutter erzählt, als sie ihn nach der Verurteilung des Mörders zu einem Kaffee eingeladen habe.







