Crime

Anwalt von Arafat Abou-Chaker wirft Bushido im Prozess „Bullshitting“ vor

Am zweiten Jahrestag des Mammutprozesses von Bushido gegen Arafat Abou-Chaker gibt es keine Kerzen auf Torten, aber einen Streit. Der Rapper ist wieder Zeuge.

Bushido auf dem Weg in den Gerichtssaal.
Bushido auf dem Weg in den Gerichtssaal.Monika Skolimowska/dpa

Anis Ferchichi, den die meisten unter seinem Künstlernamen Bushido kennen, spricht viel über Zahlen an diesem Mittwoch: Erst geht es um die sechste Minute, wenig später um die 21. Minute, dann die 28. Minute. Bei jeder dieser Zeitangaben merkt er an, was damit nicht stimmen könnte. Bei Minute 28 sagt er: „All dieser Larifari-Inhalt macht für mich einfach keinen Sinn“, sagt der Rapper.

Er meint die Audiodatei, die angeblich am Abend des großen Streits vom 18. Januar 2018 entstanden sein soll. Das Magazin Stern hat Anfang Februar dieses Jahres einen Tonbandmitschnitt exklusiv vorgestellt, um den auch heute im Gerichtssaal 500 im Amtsgericht Moabit gestritten wurde. Es ist ein besonderer Tag, denn der Prozess dauert exakt zwei Jahre an. Bushido zu Beginn: „Herzlichen Glückwunsch zum zweiten Jahrestag.“

Bushido weiß noch immer, wie er den Richter, die Anwälte und die Journalisten im Saal belustigen kann. In fast gleicher Aufstellung sind all diese Menschen jetzt zum 78. Mal in diesem Gericht, um zu klären, was am 18. Januar 2018 vorgefallen ist. Es geht laut Anklage um die Auflösung der geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Gangster-Rapper Bushido und dem mutmaßlichen Bandenoberhaupt Arafat Abou-Chaker.

Letzterer war laut Vertrag für 15 Jahre Manager von Bushido und gleichzeitig sein bester Freund. Im Jahr 2017 kam es mehrfach zum Streit, doch eine Auflösung des Vertrags wollte Abou-Chaker laut Anklage nicht akzeptieren. Der Rapper sei am 18. Januar 2018 von Arafat Abou-Chaker und seinen drei Brüdern Nasser, Yasser und Rommel beschimpft, bedroht, erpresst, eingesperrt und verletzt worden.

Der Eintrag ins Klassenbuch droht

Die Stimmung im Gerichtssaal an diesem Mittwoch ist hitzig wie das Wetter, außerdem: streitlustig. Besonders Arafats Anwalt Hansgeorg Birkhoff ist heute besonders kritisch aufgelegt. Immer wieder unterbricht er Bushido, dessen Anwalt Steffen Tzschoppe oder die Oberstaatsanwältin Petra Leister. Später droht der Vorsitzende Richter Martin Mrosk mit einem „Eintrag ins Klassenbuch“, da die Verteidiger der Abou-Chakers sich flüsternd unterhalten, während Mrosk wieder an Bushido Fragen stellt.

Birkhoff unterbricht einmal die Ausführungen des Rappers mit dem Hinweis: „Das sind keine Tatsachen, die hier vorgestellt werden, sondern Behauptungen.“ Bushido habe möglicherweise mehr Ahnung von Audiodateien, sagt der Anwalt Abou-Chakers und ergänzt: „Aber ich habe mehr Ahnung über den Verfahrensverlauf.“ Der Richter verteidigt Bushido: „Er ist hier als Zeuge geladen und er sagt auch als Zeuge aus.“

Die meiste Zeit bleibt der Rapper selbst gelassen, er sitzt vom Oberteil bis zu seinen Espadrilles-Schuhen heute komplett in Weiß im Zeugenstand. Er liest seine Notizen ruhig und wortgewandt vor, wirkt sehr gut vorbereitet und ausgeruht. Man merkt: Als Musiker kann er gut mit Sprache und Worten umgehen. Er macht einen aufgeräumten Eindruck und lässt sich auch nicht von Birkhoff und den Abou-Chakers provozieren. Als diese sich einmal während seiner Aussage länger unterhalten, fragt er höflich: „Soll ich warten, bis ihr fertig seid?“ Der Richter ruft die anderen anschließend zu Ordnung.

Die vier Brüder haben bisher bis auf Zwischenrufe nicht viel beigetragen. Sie verweigern die Aussage, kommen als freie Männer zum Verfahren. Meist stehen sie gut gelaunt im Foyer und sprechen auch immer wieder mit der Presse. Vor allem mit Reportern vom Stern sind sie häufiger vor dem Gericht zu sehen, vor und nach dem Prozess. Das Magazin will seine Quelle für die ominöse Audiodatei nicht nennen, auch wenn diese offensichtlich ist.

Und so trägt Bushido über mehrere Stunden seine Bedenken vor, warum die Stern-Audiomitschnitte seiner Meinung nach unauthentisch seien. Seiner Ansicht nach fehlen bestimmte Passagen, die seiner Erinnerung nach im Gespräch vorkamen am 18. Januar 2018. An längere Gesprächspausen kann er sich nicht erinnern und auch inhaltlich passt es seiner Meinung nach nicht. Vielmehr glaubt Bushido, dass die präsentierte Datei „aus mehreren Treffen zusammengeschnitten wurde“. Technisch sei das möglich, da auch Abou-Chaker als Musikproduzent über derartige Schnittprogramme verfügt. Außerdem sei der Mitschnitt als Mp3 vorgelegt worden. Die Metadaten – zum Beispiel das Datum der Aufnahme – können leicht manipuliert werden.

Sobald Bushido den Raum verlassen hat, beginnt die Verteidigung das heutige Vorgehen Bushidos zu kritisieren. Anwalt Birkhoff behauptet, Bushido habe einen „Taschenspielertrick“ angewendet. Er stelle „Behauptungen gegen ein Beweismaterial“. Für ihn sei dieser Vorgang nicht valide. „Wir Juristen nennen das Zirkelschluss, Journalisten würden das wohl Bullshitting nennen.“

Gegen Ende des Verhandlungstages im sehr warmen Saal wurde deutlich, dass auch der Vorsitzende Richter Martin Mrosk langsam die Geduld verliert und auf ein baldiges Ende des Prozess hofft. „Ich möchte Herrn Ferchichi so wenig wie möglich Lebenszeit rauben“, sagte er. „Sie sind der Einzige, dem ich das glaube“, antwortete Bushido. Er bleibt auch für den 79. Prozesstag im Zeugenstand, wird am Montag jedoch nicht anwesend sein. Dafür soll der DJ Gan-G zum Streit zwischen Bushido und Abou-Chaker aussagen – wenn er sich bis dahin von seiner Corona-Infektion erholt.