Vor Gericht

Prozess Bushido vs. Arafat Abou-Chaker: Rapper Shindy pöbelt im Gerichtssaal

Zwei Jahre streiten Rapper Bushido und der mutmaßliche Bandenchef Arafat Abou-Chaker vor Gericht. Rapper Shindy hatte auf die Fragen des Richters „keine Lust“.

Michael „Shindy“ Schindler (l.) mit einem seiner beiden Bodyguards im Berliner Landgericht in Moabit.
Michael „Shindy“ Schindler (l.) mit einem seiner beiden Bodyguards im Berliner Landgericht in Moabit.dpa

Michael Schindler, Rapper-Name Shindy, beugt sich nach vorn und sagt leise in das Mikrofon: „Fünfundfünfzig.“ Er meint den Paragrafen 55, auf den sich Zeugen beziehen, wenn sie die Aussage verweigern wollen. Egal, welche Frage der Richter ihm stellt, der 33-Jährige sagt jedes Mal nur: „Fünfunfünfzig.“ Bei Frage sechs sagt Schindler „Fifty five“, nur um es mal etwas abzuwechseln. Und bei Frage zehn nuschelt er ins Mikrofon: „Ich habe keine Lust, mir darüber Gedanken zu machen. Es interessiert mich auch nicht.“

Man könnte denken, der Rapper hält seine Aussage vor dem Berliner Landgericht für einen Witz. Wie ein wandelnder Mittelfinger bewegt er sich in Turnhosen, Nike-Schuhen und weißem Shirt durch den Saal 500. Begleitet wird er von zwei Bodybuildern. Im Zeugenstand sitzt er mit zitternden Beinen, zwischen seinem Ex-Rap-Kollegen Bushido (links) und seinem Ex-Manager Arafat Abou-Chaker (rechts) sowie dessen drei Brüdern. Wo seine Sympathien liegen, wird in der Pause kurz deutlich, als er sich länger mit Yasser Abou-Chaker unterhält – bis einem der Anwälte auffällt, dass es vielleicht nicht gut aussieht, wenn Zeuge und Angeklagter im Gericht direkten Kontakt miteinander haben.

Es ist der 75. Prozesstag in diesem Verfahren, das mittlerweile fast zwei Jahre andauert. Angeklagt sind die Brüder Abou-Chaker: Arafat, Yasser, Nasser und Rommel. Sie sollen am 18. Januar 2018 den Rapper Anis Ferchichi, genannt Bushido, so bedrängt, bedroht, beleidigt, verletzt und eingesperrt haben, dass dieser um sein Leben und das seiner Familie fürchtete. Das tut er bis heute. Bushido betritt den Saal mit drei Personenschützern. Die vier Brüder kommen als freie Männer zum Verfahren.

Shindy ist lange mit Bushido gemeinsam aufgetreten, seine ersten Alben veröffentlichte er unter Bushidos Label „Ersguterjunge“. Sie hießen „Nie wieder Arbeiten“ und „Fuck bitches get money“. Sein letztes Album „Drama“ wurde zu einer der meistgehörten Platten des Jahres 2019. Obwohl seine inzwischen erkaltete Beziehung zu Bushido bestens dokumentiert ist, hält Shindy sich vor Gericht bedeckt. Schon bei der ersten Frage, ob er Bushido kenne, sagt er zwar „Ja“, doch sein Verfahrensbeistand unterbricht ihn und verweist auf ein ausstehendes Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Deshalb könne Shindy die Aussage nach Paragraf 55 verweigern: Er dürfe sich nicht selbst beschuldigen.

Nachdem der Richter seine Fragen gestellt hat, übernimmt die Oberstaatsanwältin und bekommt die gleichen Antworten: Shindy bleibt bei seinem „fünfundfünfzig“. Ihre elfte Frage lautet:„ Gab es eine Handgreiflichkeit zwischen Ihnen und Arafat?“ – „Fünfundfünfzig.“ Frage zwölf: „Gab es eine Handgreiflichkeit in der Schweiz?“ Antwort: „Fünfundfünfzig auch in der Schweiz.“

Gegen 11 Uhr zieht sich das Gericht zu einer Beratung zurück. Der Zeuge darf sich nur dann auf den Paragrafen 55 berufen, wenn er sich mit der Antwort selbst belasten würde. Bei einer früheren Zeugenbefragung in diesem Prozess hatte das Gericht Zweifel und forderte den Zeugen mit Nachdruck auf, zu antworten. Das Kammergericht hatte dem stattgegeben. Die Oberstaatsanwältin fordert im Fall von Shindy sogar eine Beugehaft von sechs Monaten, sollte der Rapper sich unberechtigterweise weiterhin auf „55“ zurückziehen. Kurzfristig verhängt das Gericht am Montag eine Ordnungsstrafe von 1000 Euro für Shindy, weil es den Paragrafen nicht berechtigt angewandt sieht. Sein Anwalt legt dagegen eine Beschwerde ein.

Der Nebenkläger Bushido ist am Montag selbst anwesend, bleibt aber bis kurz vor Schluss im Hintergrund. Dann aber meldet er sich noch einmal zu Wort. Er erklärt, am kommenden Montag, 15. August, wieder selbst in den Zeugenstand treten zu wollen. Er wolle zu der Audio-Datei Stellung beziehen, die laut Stern von jenem 18. Januar 2018 stammt. Verschiedene Quellen hatten gegenüber der Berliner Zeitung jedoch angedeutet, dass sie von einem früheren Datum stammen könnte. Bushido scherzt, er stehe dem Gericht ab 9.30 Uhr „so lange zur Verfügung, wie es eben dauert“. Die nächsten Zeugen werden schon am kommenden Mittwoch gehört.