Armut bekämpfen

Bewohnerinnen für Villa mit Garten und Pool in Lankwitz gesucht

Die Berlinerin Ruth Pempelfort stiftete ihr Vermögen für ein soziales Wohnprojekt. Doch es finden sich keine bedürftigen Mieterinnen.

Die Villa Pempelfort in Lankwitz
Die Villa Pempelfort in LankwitzSabine Gudath

Eine zweigeschossige Villa mit fünf Zimmern, drei Bädern, zwei Küchen, einem Fahrstuhl, Pool und großem Garten. Sie befindet sich mitten in einer gutbürgerlichen Wohnsiedlung in Lankwitz, nur 15 Minuten zu Fuß vom Einkaufsboulevard Schlossstraße entfernt. Hier hat Ruth Pempelfort bis kurz nach ihrem 90. Geburtstag gewohnt und viele glückliche Jahre mit ihrem Ehemann Karl-Heinz verbracht. Jetzt sollen hier bedürftige Frauen einziehen. Ruth Pempelfort hat es vor ihrem Tod so entschieden und ihr gesamtes  Vermögen in eine Stiftung für dieses soziale Projekt umgewandelt. Eigentlich eine schöne Vorstellung, wäre ihr letzter Wunsch nicht so mühsam umzusetzen.

Das Anwesen des Ehepaares wurde für 400.000 Euro umgebaut.
Das Anwesen des Ehepaares wurde für 400.000 Euro umgebaut.Sabine Gudath

Seit Oktober ist das ehemalige Zuhause der Pempelforts für 400.000 Euro renoviert worden und längst bezugsfertig für seine neuen Bewohnerinnen. Doch die lassen auf sich warten. Bis auf das Hauswirtschaftspersonal im Obergeschoss lebt bislang erst eine ältere Dame ganz allein in dem luxuriösen Anwesen. „Ich bin traurig und enttäuscht“, sagt der Fachanwalt für Miet- und Immobilienrecht, Michael Maaser, der zugleich Vorstand der Ruth und Karl-Heinz Pempelfort-Stiftung ist und das Ehepaar mehr als 30 Jahre lang kannte. Enttäuscht ist er deshalb, weil er den Eindruck hat, dass sich kaum jemand für das soziale Projekt interessiert. Dabei verbirgt sich dahinter beachtliches zivilgesellschaftliches Engagement.

Ruth und Karl-Heinz Pempelfort lernten sich an einer Berliner Universität kennen.
Ruth und Karl-Heinz Pempelfort lernten sich an einer Berliner Universität kennen.Sabine Gudath

Der Jurist hatte sich Unterstützung von den Behörden erhofft

„Ruth Pempelfort wollte armen Frauen helfen, die keine Wohnung haben und sich auch keine leisten können. Nicht mehr ganz junge Frauen, die schon in Rente sind oder erwerbsunfähig und auf dem Arbeitsmarkt aufgrund einer Erkrankung keine Chance mehr haben“, erklärt Maaser den Sinn und Zweck der Stiftung, die über ein ausgesprochen hohes Vermögen verfügt, da das Ehepaar mehrere Mietshäuser in Berlin besaß. „Somit ist das Konzept auch langfristig angelegt“, betont er, und es soll die Frauen nichts kosten. Allerdings hatte sich der Jurist auch Unterstützung seitens der Behörden bei der Vermittlung von Frauen erhofft, die soziale Leistungen beziehen.

Rechtsanwalt Michael Maaser ist Vorsitzender der Stiftung und dafür verantwortlich, den letzten Willen von Ruth Pempelfort umzusetzen.
Rechtsanwalt Michael Maaser ist Vorsitzender der Stiftung und dafür verantwortlich, den letzten Willen von Ruth Pempelfort umzusetzen.Sabine Gudath

Er habe sich mit diesem Konzept zunächst im Sommer 2021 an den damaligen Sozialstadtrat des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf gewandt. „Es war schon schwierig genug, ihn ans Telefon zu bekommen“, betont er.  Als er ihn dann endlich zu fassen bekommen habe, versprach er zwar zu helfen, aber danach sei nie wieder etwas von ihm gekommen. Der Anwalt ließ sich vom Bezirksamt den Kontakt zu einer Frauenbeauftragten des Bezirks geben, die ihn auch in der Villa Pempelfort besuchte. „Sie war total begeistert von dem Projekt und wollte mir Kontakte zu bedürftigen Frauen vermitteln“, erinnert er sich. Doch danach habe er nie wieder von ihr gehört. Zuletzt habe er sich auch an den Referenten der damaligen Sozialsenatorin gewandt. Doch der habe erklärt, dass die Zuständigkeit für derartige Projekte bei den Bezirken lege, er es aber weitergeben wolle. „Auch danach ist nie etwas geschehen“, sagt Maaser.

Die ehemalige Diplom-Kauffrau Ruth Pempelfort hatte sich das zu Lebzeiten alles so schön ausgemalt: Die Frauen sollten in ihrer Villa eine bessere Zukunft haben. Ihr Ehemann, ein Steuerberater, mit dem sie sehr glücklich gewesen sei, starb bereits 20 Jahr vor ihr. Der Stiftungsvorsitzende erklärt ihre Beweggründe so: „Die Pempelforts hatten keine Kinder oder andere Verwandte, denen sie etwas vererben konnten.“ Das Paar, das sich an der Universität in Berlin kennenlernte, habe sehr zurückgezogen und bescheiden gelebt und kaum etwas von ihrem Vermögen für sich ausgegeben. „Besonders Frau Pempelfort war sehr vorsichtig anderen Menschen gegenüber, und am Ende hatten die beiden nur noch sich.“

„Sozialämter können keine Mietakquise übernehmen“

Doch warum stößt ihr gut gemeinter Gedanke anscheinend auf so wenig Interesse? Die Senatsverwaltung für Soziales bestätigt auf Anfrage der Berliner Zeitung, dass sich Rechtsanwalt Maaser bereits am 21. September vergangenen Jahres ans Büro der damaligen Senatorin Elke Breitennach gewandt hatte. „Auf der darauffolgenden Sitzung der AG Soziale Wohnhilfe am 24. September 2021 haben unsere KollegInnen aus der Senatssozialverwaltung diese Informationen, inklusive der Erreichbarkeit von RA Maaser, an alle Bezirke weitergereicht“, erklärt Behördensprecher Stefan Strauß. Die verantwortlichen Mitarbeitenden hätten also sofort Kontakt mit  Maaser aufnehmen können. Alle diese Informationen standen zudem im Sitzungsprotokoll vom 8. Oktober 2021. Im Oktober 2021 hatte das Büro der Senatorin erneut bei  Maaser angerufen, um sich über den weiteren Verlauf zu informieren.

„Das Problem ist, dass es sich bei dem Konzept offenbar um ein reines soziales Wohnprojekt ohne Beratungsangebot handelt und die Sozialämter der Bezirke keine offensive Mieterakquise übernehmen können, da sie Neutralität wahren müssen“, erklärt Kristin Fischer von der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG). Deshalb müsse sich der Stiftungsvorsitzende selbst darum kümmern, die geeigneten Mieterinnen zu finden, beispielweise über die Träger sozialer Einrichtungen. Es gehe nicht darum, das Engagement von Ruth Pempelfort zu schmälern. „Gerade Frauen, die Sozialhilfe beziehen, hätten auf dem Wohnungsmarkt kaum eine Chance und fallen oft hinten rüber“, sagt sie.

Auch Steglitz-Zehlendorfs neuer Sozialstadtrat Tim Richter (CDU) betont: „Das Angebot der Pempelfort-Stiftung ist eine beeindruckende private Initiative, sicher ein Aushängeschild für den gesamten Bezirk.“ Selbstverständlich hätten sie das Angebot der Stiftung bereits an geeignete erscheinende Kundinnen im Amt für Soziales als Wohnmöglichkeit weitergegeben und würden das auch künftig tun. „Die Entscheidung, ob die von uns beratenen Frauen sich dann bei der Stiftung melden, entzieht sich jedoch unserer Kenntnis. Aus meiner Sicht handelt es sich bei dem Angebot weniger um ein klassisches Frauenhaus. Dafür fehlt es an diesem konkreten Standort an dafür wesentliche Eigenschaften wie psychisches Betreuungsangebot, Anonymität für die Bewohnerinnen und eine Sozialbetreuung“, so Richter.

Michael Maaser hat nun über die Kirche versucht, an zielgruppengerechte Bewohnerinnen heranzukommen. Die erste Mieterin wurde ihm bereits vermittelt. „Ich wünsche mir, dass sich bald noch mehr Frauen finden werden, die gern hier wohnen möchten“, sagt er. Das Wasser im Pool der Villa ist bereits eingelassen, die Schwimmnudeln und ein Gymnastikball, den die ehemalige Bewohnerin dort zurückgelassen hat, liegen noch unbenutzt am Beckenrand. Im Regal des Wohnzimmers steht eine kleine Auslese der insgesamt 4500 Science-fiction-Romane, die Ruth Pempelfort alle gelesen hat. Demnächst sollen andere Frauen darin stöbern und hier Ruhe finden können. Es war ihr letzter Wille.