Stadtgeschichte

Berliner Kaffeehäuser: Mit dem Café Royal fing alles an

Vor 300 Jahren eröffnete an der Spree das erste Kaffeehaus. Dem Café Royal folgten große Namen und Traditionsgeschichten – von Kranzler bis Größenwahn.

Das Café unter den Linden (vormals Café Bauer) und das Café Kranzler Unter den Linden, um 1900.
Das Café unter den Linden (vormals Café Bauer) und das Café Kranzler Unter den Linden, um 1900.imago/United Archives International

Das erste Berliner Kaffeehaus entstand vor 300 Jahren auf Geheiß des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. Am 10. August 1722 eröffnete an der Spree das Café Royal. Dafür wurde eigens ein Neubau am Paradeplatz im Lustgarten geschaffen. In anderen Städten reicht die Tradition der Kaffeehäuser allerdings noch weiter zurück.

Denn schon 1647 wurde unter den Arkaden des Markusplatzes von Venedig das „bottega del caffè“ – seit 1720 heißt es Caffè Florian – gegründet. Hier verkehrten Casanova, Goethe, Balzac und Wagner. 1650 entstand in Oxford das erste Kaffeehaus Englands, bis 1690 eröffneten im ganzen Land mehr als 200 Coffee Houses. Erste Zeitungen hatten ihren Firmensitz im Café („Button’s Coffee-house“), auch die Ursprünge der Post (mit Postfächern im Stammcafé) sowie die erste Versicherungsgesellschaft von Edward Lloyd gehen auf Cafés zurück.

Berlin: „Außländischer Schlürfftrank“ wurde auf höchste Order hin verbreitet

Vor allem Wien ist für seine Kaffeehäuser bekannt, nach der Befreiung der Stadt von der türkischen Belagerung 1683 ließen Kara Mustaphas Truppen Kaffeesäcke zurück. Keine zwei Jahre später eröffnete Johannes Theodat am Haarmarkt das erste Wiener Kaffeehaus. Kaiser Leopold I. hatte dem Armenier die Erlaubnis erteilt, „das türkische Getränk als Caffe, The und Scherbet zu praeparieren“. Selbst der Adel gab sich dem „Türckentranck“ hin. Etwa zur gleichen Zeit kamen auch in Deutschland erste Kaffeehäuser und Kaffeeschenken auf.

In Berlin wurde der „außländische Schlürfftrank“ auf höchste Order verbreitet. Zur Rekrutierung des ersten Königlichen Kaffeehauswirtes beauftragte der König den Gesandten Johann Gerhard Meinertzhagen in Den Haag, einen „königlich-preußischen Cafétier zu werben“. In Amsterdam entdeckte er „Monsieur Olivier“, der schon über einige Erfahrung im Führen von Kaffeehäusern verfügte und sich bereit erklärte, dem Ruf des Königs nach Preußen zu folgen. Er erhielt das Privileg zum Betrieb eines königlichen Kaffeehauses, das vorwiegend von Garnisonsoffizieren besucht wurde, die es „au Coffé royal“ nannten. Zu dieser Zeit konnten sich nur wohlhabende Berliner den orientalischen Trank außer Haus leisten.

Schon 1744 notierte die Kurmärkische Domänenkammer, dass der heimische Kaffeekonsum „fast jedem und sogar den geringsten Leuthen zur Natur geworden“ sei. Bohnen wurden illegal zu Hause gebrannt. Das missfiel Friedrich dem Großen und er belegte Kaffee mit einer hohen Importsteuer, was zu regem Schmuggel führte. 400 „Kaffeeriecher“ sollten Schwarzbrenner entlarven und die Bohnen konfiszieren.

Eine Pferdekutsche und eine Mercedes-Limousine auf dem Kurfürstendamm in Berlin vor dem berühmten Café Kranzler (Foto von 1960).
Eine Pferdekutsche und eine Mercedes-Limousine auf dem Kurfürstendamm in Berlin vor dem berühmten Café Kranzler (Foto von 1960).dpa

Das Café Royal musste 1747 dem Berliner Dom weichen, es wurde aber Unter den Linden neu aufgebaut und von Oliviers Erben bis 1768 weitergeführt. Vor den Toren der Stadt etablierten sich daneben sogenannte Kaffeegärten. Alle Cafés waren den oberen Bevölkerungsschichten vorbehalten.

Die Anfänge des Kaffeeanbaus liegen wahrscheinlich im 12./13. Jahrhundert. Rückkehrer der Kreuzzüge brachten Gewürze mit. Geschäftstüchtige Händler, stets auf der Suche nach neuen Produkten, stießen in Abessinien (Äthiopien) auf Arabica-Bohnen. Das Wort „Kaffee“ leitet sich vom altarabischen „qahwah“ ab. Ursprünglich war damit der den gläubigen Moslems verbotene Wein gemeint.

Kaffee gab es auch als Heilmittel aus der Apotheke

Die erste größere Rohkaffee-Ladung in Europa wurde 1637 in den Niederlanden gelöscht. Anfangs verkauften sogenannte Materialisten und Gewürzkrämer die Bohnen, erst später boten auch Apotheken Kaffee als Heilmittel zur Linderung von Magenschmerzen an. Eine wesentliche Bedingung für den Wandel vom Mode- zum Alltagsgetränk war die schnelle Zubereitung sowie die genussbringende Wirkung. Ähnlich wie der Konsum von Alkohol förderte der Kaffee zudem das „soziale“ Trinken.

Nach der Eröffnung des ersten Kaffeehauses in Berlin fand ein rasantes Wachstum statt. Bis 1830 stieg ihre Zahl auf etwa 100 an, da nun auch Kaffeeschankkonzessionen für Konditoreien ausgegeben wurden. Der Wiener Bäckergeselle Johann Georg Kranzler eröffnete 1825 an der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden die Hofkonditorei Kranzler, die schon bald zum beliebten Treffpunkt avancierte. 1833 erhielt das Café eine Freiluft-Terrasse, hier konnte man sehen und gesehen werden. Der markante zweigeschossige Kranzler-Bau mit aufsitzender Rotunde und rot-weiß gestreifter Markise am Kurfürstendamm entstand erst in den 1950er-Jahren.

Gegenüber vom alten Kranzler begann 1878 das Café Bauer, das erste Berliner Café nach Wiener Art, seinen Betrieb. Dazu gehörten prachtvolle Räume mit einer luxuriösen Ausstattung. Der große Saal fasste 100 Gäste. Es gab Einlasskontrollen für das gutsituierte Publikum, welches unter sich bleiben wollte. Allein drei Angestellte waren dafür zuständig, die 600 täglich zur Auswahl stehenden Zeitungen und Zeitschriften aus aller Welt zu ordnen. Ganz neu war ein Damenzimmer für Frauen ohne männliche Begleitung. Denn noch bis in die 1880er-Jahre hinein galten Cafébesuche von Frauen ohne männliche Begleitung als sittlich bedenklich.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts etablierten sich statt gemütlicher kleiner Treffpunkte vermehrt Großcafés wie das Piccadilly am Potsdamer Platz. Es bot Raum für 2500 Gäste. Die Brüder Aschinger, eigentlich für ihre „Bierquellen“ bekannt, eröffneten 15 Konditoreien und verkauften das schwarze Getränk zu günstigen Preisen ohne Einlasskontrollen.

Weltwirtschaftskrise: In den Zwanzigern schlossen viele Cafés

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Café des Westens (auch „Café Größenwahn“ genannt) am Kurfürstendamm für viele Künstler zu einer Art Heimat. Hier trafen sich Max Reinhardt, Richard Strauss, Christian Morgenstern und Max Liebermann. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen sie weiter ins Romanische Café an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Zu den Gästen zählten Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Joachim Ringelnatz und Otto Dix.

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise mussten in den ausgehenden 1920er-Jahren viele Cafés schließen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verschwand die reichhaltige Kaffeehauskultur aus Berlin. „Der Kaffeekonsum ging von 209.000 Kilogramm Bohnenkaffee im Jahr 1938 auf 8000 Kilogramm Ersatzkaffee im Jahr 1942 zurück“, hält Peter Lummel in seinem 2002 erschienenen Buch „Kaffee – Vom Schmuggelgut zum Lifestyle-Klassiker. Drei Jahrhunderte Berliner Kaffeegeschichte“ fest.

In den letzten Jahren entdeckte Berlin einen neuen „Lifestyle“ in Coffee-Shops, Themen-Cafés und privaten Röstereien. Im Coffee-to-go-Shop können Gäste den Kaffee mitnehmen und ihn unterwegs oder im Büro trinken. Die Berliner Café-Geschichte geht also weiter …