Stadtentwicklung

Entsetzen nach Planungsstopp für ZLB: „Die Stadt verspielt ihre Bibliothekszukunft“

Der Generaldirektor der Zentral- und Landesbibliothek fordert den Berliner Senat auf, den geplanten Neubau am Blücherplatz zu realisieren.

Volker Heller, ZLB-Generaldirektor
Volker Heller, ZLB-GeneraldirektorBenjamin Pritzkuleit

Für den geplanten Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) am Blücherplatz in Kreuzberg sieht es schlecht aus. Der Grund: Weil das Projekt noch unter dem alten Senat aus der Finanzplanung und dem Investitionsprogramm für die Jahre 2022 bis 2026 gestrichen wurde, stehen für die weitere Planung keine Mittel zur Verfügung.

Deshalb konnte auch der geplante Architektenwettbewerb bisher nicht gestartet werden. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Kultur auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Julian Schwarze, Katrin Schmidberger und Laura Neugebauer hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Die Notwendigkeit für den Neubau und der Bedarf der ZLB seien unbestritten, heißt es in der Antwort. Die seit dem Jahr 2015 kontinuierlich laufenden Planungen hätten aber „faktisch gestoppt“ werden müssen. Die Vereinbarung, wonach für die weitere Planung ausnahmsweise Mittel aus einem anderen Finanztopf bereitgestellt werden sollten, habe sich als „nicht belastbar“ erwiesen, so die Senatsverwaltung. Entsprechende Anträge der Kulturverwaltung seien trotz anderslautender Formulierungen in der Finanzplanung für die Jahre 2022 bis 2026 abgelehnt worden.

Eine Unterbringung der ZLB im denkmalgeschützten Gebäude des Flughafens Tempelhof oder im Internationalen Congress-Centrum (ICC) kommt laut der Senatsantwort nicht in Betracht. „Diverse Standortuntersuchungen“ seien zu dem Ergebnis gekommen, dass das ICC und der Flughafen Tempelhof im Vergleich zu anderen Standorten für eine Nutzung durch die ZLB „nicht geeignet und unwirtschaftlich“ seien, heißt es. „Die Ergebnisse dieser Standortuntersuchungen haben weiterhin Bestand“, so die Senatsverwaltung. „Alternative Standorte für einen zu errichtenden Neubau werden derzeit nicht geprüft.“ Der frühere Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hatte den Flughafen Tempelhof im November vergangenen Jahres als Standort für die ZLB ins Gespräch gebracht.

Bisher ist die ZLB auf zwei Standorte verteilt: auf die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz und auf die Stadtbibliothek in der Breiten Straße in Mitte. Künftig soll sie an einem Standort zusammengeführt werden, am Blücherplatz in Kreuzberg. Ein zweiphasiger Architektenwettbewerb ist laut Antwort der Kulturverwaltung weiterhin geplant, allerdings ruhe das Vorhaben seit der Mittelsperre.

ZLB pocht auf die Einhaltung getroffener Verabredungen

Die ZLB zeigt sich entsetzt. „Es ist fatal, dass der Senat die Baumaßnahme aus der Finanzplanung und dem Investitionsprogramm gestrichen hat und damit das Vorhaben nicht weiter betrieben wurde“, sagt ZLB-Generaldirektor Volker Heller. Es habe eine klare Verabredung zwischen den Senatsverwaltungen gegeben, die weiteren Planungsmittel für den Architekturwettbewerb bereitzustellen. „Mit großem Unverständnis kann ich nur feststellen, dass diese Verabredungen nicht eingehalten wurden“, so Heller. „Die Stadt verspielt hier ihre Bibliothekszukunft.“ Berlin brauche und warte auf eine funktionierende Zentralbibliothek.

„Während die Bauverwaltung das Verfahren ruhen lässt, wird die Arbeit der Bibliothek in den maroden Gebäuden der ZLB immer schwieriger“, warnt Heller. Erst vor wenigen Tagen hätten beim letzten Starkregen Teile der Berliner Stadtbibliothek unter Wasser gestanden. In diesen heißen Tagen sei zudem die sehr alte Klimaanlage der Amerika-Gedenkbibliothek ausgefallen und nur sehr schwer reparabel. „Das Haus ist am Rande seiner Funktionsfähigkeit angekommen“, sagt Heller.

Zwar finde sich das Projekt auch im Koalitionsvertrag nicht, doch wo es sich finde, sei „im Herzen der Berliner:innen“, so Heller. „Diese neue Bibliothek wird so vieles vereinen, was dieser Stadt dringlich ist, als Ort des Wissens genauso wie als Ort der gesellschaftlichen Begegnung und Kooperation.“ In Zeiten gesellschaftlicher Spaltungen sei eine öffentliche Bibliothek auch ein demokratisches Instrument. „Hier auf Zeit zu spielen, anstatt es eilends zu bauen, halte ich für einen großen Fehler“, sagt Heller. Diese neue Bibliothek werde so vieles können, was die Bewohner Berlins brauchen. „Sofort, wenn diese Bibliothek da ist, werden die Menschen nicht mehr wissen, wie sie bisher ohne diesen Ort auskommen konnten“, sagt er. „Ich fordere den neuen Senat auf, die Zusammenführung der Zentral- und Landesbibliothek Berlin zu einem Standort umgehend und nachdrücklich zu betreiben.“

Grüne setzen sich für Bibliotheksneubau ein

„Der ZLB-Stopp verzögert die Erweiterung der Bibliothek enorm“, kritisiert auch der Grünen-Abgeordnete Julian Schwarze. Immerhin revidiere die Senatsverwaltung die irritierenden Aussagen des ehemaligen Senators Geisel vom vergangenen November. Das Tempelhofer-Flughafen-Gebäude und auch das ICC würden als mögliche Standorte für die ZLB ausgeschlossen. Positiv sei auch, dass weiterhin ein zweiphasiger Realisierungswettbewerb stattfinden soll.

Der Abgeordneten Schmidberger schwant indes Böses. „Wann, wie und wo die Zentral- und Landesbibliothek gebaut werden soll oder ob es andere Lösungen gibt, steht in den Sternen“, sagt sie. „Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass das Vorhaben am Blücherplatz realisiert wird, so wie es beschlossen ist.“