Berlin - Neue Fahrgäste gewinnen und frühere Kunden zurückerobern: Das ist die Devise, die Eva Kreienkamp für das neue Jahr ausgibt. So setzt sich die Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dafür ein, Abos aufzuwerten und Abonnenten mehr Mobilitätsoptionen zu verschaffen. „Das könnte so aussehen, dass die kostenlose Mitnahme eines Fahrrads wieder im Abopreis inbegriffen ist“, sagte sie der Berliner Zeitung. Bereits fest steht, dass es 2022 mit dem Rufbus 2.0 auch ein neues Verkehrsmittel in Berlin geben wird. Die BVG braucht mehr Kundschaft und mehr Erträge, denn auch das zweite Corona-Jahr hat in der Bilanz des Landesunternehmens tiefrote Zahlen hinterlassen. „Wir rechnen mit einer Lücke von rund 200 Millionen Euro“, teilte Kreienkamp mit.
Ihr Rückblick auf das alte Jahr fällt ziemlich gemischt aus. Während der Autoverkehr nicht zurückging, hat Corona den öffentlichen Verkehr heftig getroffen. Daran hat sich auch 2021 nichts geändert. „Viele Menschen haben die Ansagen der Politik während der Pandemie leider so verstanden: Wenn Ihr Euch bewegt, fahrt lieber mit dem Auto! Mit den Auswirkungen haben wir immer noch zu tun“, berichtete die Vorstandsvorsitzende.
Optimistische Prognosen traten nicht ein
Zwar hätten sich die Fahrgastzahlen der BVG seit Sommer stabilisiert. „Sie bewegen sich zwischen 75 und 80 Prozent des Vor-Corona-Niveaus“, sagte Kreienkamp. Doch was die Bilanz für das gesamte Jahr anbelangt, konnte der dramatische Rückgang von 2020 nicht wettgemacht werden: „Wir rechnen ungefähr mit der gleichen Größenordnung wie im Jahr davor – rund 730 Millionen.“ Die ursprünglichen Vorhersagen waren deutlich optimistischer. So waren die BVG-Planer von 954 Millionen Fahrgästen ausgegangen.

„Der monatelange Lockdown im vergangenen Winter hat auch uns Nerven gekostet“, so die BVG-Chefin. Corona habe die Finanzplaner des größten kommunalen Verkehrsunternehmens in Deutschland erneut vor große Herausforderungen gestellt. Nicht ausgeschlossen sei, dass der erwartete Jahresfehlbetrag von rund 200 Millionen Euro doch noch etwas geringer ausfällt. Trotzdem sei ein Ausgleich durch Bundes- oder Landesmittel erforderlich, hieß es bei der BVG.
„Schon etwas Speck angefressen“
„Wir haben alles Mögliche getan, um die Kosten im Blick zu halten und zu senken“, betonte Eva Kreienkamp. „Die Pandemie hat uns geholfen, weil sie uns auf einige Dinge gestupst hat. So haben wir uns unsere Verfahren und Prozesse genauer angeschaut. Energie war bereits im vergangenen Jahr ein Thema, auch 2021. Weil weiterhin viele Menschen zu Hause arbeiten, fielen die Heizkosten in unseren Liegenschaften erneut niedriger aus. In diesem Jahr haben wir außerdem die Einstellungspolitik überprüft, vor allem in der Verwaltung.“ Im Fahrdienst und in den Werkstätten werde allerdings nicht gespart, auch nicht am Angebot für die Fahrgäste. Wie berichtet wurde es zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember erneut aufgestockt.
„Sparen bei den konsumtiven Ausgaben, dort, wo wir vielleicht schon etwas Speck angefressen haben – da sind wir dabei. Sparen bei den Investitionen – nein“, so die BVG-Chefin. „Wir haben eine große Fahrzeugoffensive vor uns.“ Die Serienlieferung der neuen Doppeldeckerbusse hat begonnen. Bis Frühjahr 2023 liefert der britische Hersteller Alexander Dennis 198 Fahrzeuge – was allerdings die über die Jahre entstandene Lücke in der Flotte der Großen Gelben nicht ganz schließen wird.
Was gibt es Neues 2022? Ein neues Verkehrsmittel soll voraussichtlich Mitte des Jahres den Betrieb aufnehmen. Die Ausschreibung läuft. „Der barrierefreie Rufbus 2.0 wird im Osten von Berlin das Angebot des regulären Nahverkehrs außerhalb des S-Bahn-Rings ergänzen“, sagte Eva Kreienkamp. „Wir wollen ausprobieren, wie ein solches Angebot von unseren Fahrgästen angenommen wird, um in einem zweiten Schritt auch anderswo in Berlin einen solchen Service anbieten zu können.“
Die Vans, die mit Hilfe einer App gerufen werden können, sollen täglich jeweils 16 Stunden lang in einem 41 Quadratkilometer großen Gebiet zur Verfügung stehen. Der Einsatzbereich beginnt am Ostkreuz und erstreckt sich wie ein Tortenstück bis zur östlichen Stadtgrenze. Begrenzt von der S5 im Norden und der S3 im Süden umfasst es unter anderem Teile von Rummelsburg, Karlshorst, Biesdorf und Mahlsdorf. Der Ein- und Ausstieg wird an Haltestellen und virtuellen Rufbus-Haltepunkten möglich sein.
Ein neues Ticket für Homeoffice-Arbeiter
Fahrpreise sind ein weiteres Thema für 2022. „Das Fahrverhalten der Menschen hat sich während der Pandemie geändert. Darum müssen wir uns fragen, wie wir mit unserer Tarifstruktur umgehen. Bislang hielten wir für Gelegenheits- und für Oftfahrer gute Angebote bereit“, sagte Eva Kreienkamp. Doch abgesehen vom VBB-Flexticket, das zum 1. Januar 2022 eingeführt wird, bieten wir zwischen diesen Polen sonst nichts an.“
Mit dem bislang kaum beworbenen neuen Digitalangebot für 44 Euro kann man den Berliner Nahverkehr innerhalb von 30 Tagen acht Mal jeweils 24 Stunden lang nutzen – was nicht in jedem Fall eine Ersparnis ist. „Das Flexticket kann nicht das Ende der Fahnenstange sein“, so die BVG-Chefin. „Wir brauchen einen Modernisierungsschub.“ Wie berichtet setzt sie sich für Modellversuche ein – zum Beispiel mit entfernungsabhängigen Fahrpreisen in Berlin.



