Berlin bereitet sich auf die Aufnahme zehntausender Ukraine-Flüchtlinge vor. „Wir richten uns ein auf zunächst 20.000 Menschen“, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung. „Diese Zahl ist ganz klar ein ‚zunächst‘. Denn wir wissen noch nicht, wie viele es werden.“ Viele seien inzwischen auch privat untergekommen, weil in Berlin eine große ukrainische Community lebe.
„Wir haben eine unglaublich dynamische Situation“, sagte Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke). Am Montag seien 350 Kriegsflüchtlinge vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten untergebracht worden. Die Tendenz sei steigend. Vor allem Frauen und ältere Kinder würden kommen.
Bislang gilt die Richtlinie: Alle sollen ins Ankunftszentrum an der Oranienburger Straße in Reinickendorf kommen. Von dort werden sie mit Bussen auf Unterkünfte verteilt. So wurden in der Nacht zu Dienstag 200 Menschen in eine neue Unterkunft in Pankow gebracht, in ein reaktiviertes Containerdorf. Zudem gibt es ein Haus in Lichtenberg, das bislang für Saisonarbeiter gedacht war. Im Laufe der Woche sollen weitere Unterkünfte eröffnen.
Berliner Flüchtlingsheime waren auch schon vorher voll. Seit Donnerstag gehen laut Kipping aber Angebote für Gebäude ein, die jetzt vom Krisenstab geprüft werden. Sollte die Zahl der Ankommenden weiter rasant steigen, müssten „großflächigere“ Unterkünfte gefunden werden. Ob dies wieder Turnhallen sein werden wie 2015, ist noch unklar. Inzwischen gibt es auch eine bundesweite Bettenbörse, bei der ein sozialer Träger mitarbeitet und in der allein für Berlin 10.000 Plätze angeboten werden.
Warten auf Entscheidung aus Brüssel
„Wir warten voller Ungeduld darauf, dass endlich von Brüssel oder vom Bund die aufenthaltsrechtliche Einstufung als Kriegsflüchtlinge erfolgt und nicht alle einzeln einen Asylantrag stellen müssen“, so Kipping. „Die Entscheidung in Brüssel habe spätestens am Sonntag fallen sollen. Gleichwohl steht sie noch aus.“ Grundlage dafür ist die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie, die eine EU-weit koordinierte Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen jenseits des individuellen Asylverfahrens ermöglicht. Diese hätten dann eine Arbeitserlaubnis, Zugang zu medizinischen und Sozialleistungen.
Solange diese Entscheidung nicht gefallen ist, können die Ankommenden nicht offiziell registriert werden. Deshalb geht Berlin in „vorauseilende Amtshilfe“ und sorgt dafür, dass sie Verpflegung und Unterkunft bekommen. In einer ersten provisorischen Lösung wird über das Ankunftszentrum auch medizinische Versorgung gewährleistet.
So chaotisch wie zur Flüchtlingskrise 2015 soll es jetzt nicht mehr zugehen. Die Verwaltung habe daraus gelernt und das Krisenmanagement entsprechend aufgebaut, sagt Giffey. So sei bei der Senatskanzlei eine Steuerungsgruppe eingerichtet worden, die durch die Senatskanzlei geleitet wird und sich mit den zuständigen Verwaltungen koordiniert.
Die Arbeit soll in drei „Clustern“ organisiert werden. Der erste befasst sich mit Ankunft und Erstversorgung, medizinischer und psychosozialer Betreuung. Der zweite Bereich befasst sich mit der Unterbringung und dem Schaffen zusätzlicher Aufnahmekapazitäten. Der dritte „Cluster“ betrifft das Thema Sicherheit und den sozialen Zusammenhalt.
Städtepartnerschaft Berlin-Moskau soll erhalten bleiben
Laut Giffey sollen die Schulen den Krieg in kindgerechter Weise mit den Schülern besprechen. Entsprechendes Unterrichtsmaterial sei an die Schulen gegeben worden. Am Donnerstag soll dazu eine erste Online-Fortbildung für Lehrer starten. Außerdem bereite man sich vor für die Aufnahme ukrainischer Kinder in den Schulen. Wie schon 2015 sollen Willkommensklassen eingerichtet werden, was aber einige Zeit dauern wird. Deshalb muss der Unterricht zunächst in den bestehenden Klassen organisiert werden.
