Notsituation droht

Berlin: Flüchtlinge sollen über Weihnachten in den Hangar

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) will am 23. Dezember Container für 200 Personen eröffnen, denen Obdachlosigkeit droht.

Dr. Carina Harms, Präsidentin des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)
Dr. Carina Harms, Präsidentin des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)Benjamin Pritzkuleit

Hangar oder Obdachlosigkeit, auf diese Alternativen schrumpften die Optionen für Geflüchtete zusammen, die an den Weihnachtstagen Berlin erreichen, sagte die Präsidentin des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Carina Harms. Sie hatte mit Vertretern von Flüchtlingsinitiativen zu einer Pressekonferenz in das Behördengebäude an der Darwinstraße eingeladen.

Ein Mitarbeiter des LAF sprach bei dem Termin Klartext, wollte aber anonym bleiben. Das LAF verhandle derzeit mit Betreibern von Asylunterkünften – bisher leider ohne Ergebnis. Ziel sei die Eröffnung von Containern für 200 im Ankunftszentrum Reinickendorf registrierte Personen am 23. Dezember. Sie sollen sich zu je vier Personen einen Container im Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof teilen, bis andere Unterkünfte bereitstehen. Die Betreuung ist dabei eines der Probleme. 

Es droht eine Notsituation

Finde sich kein Betreiber, der die Betreuung übernehmen wolle, müsse das LAF sich etwas einfallen lassen. Überlegt werde, an Mitarbeiter des LAF heranzutreten mit der Bitte, an den Weihnachtsfeiertagen Schichten in dem Containerdorf im Flughafenhangar zu übernehmen, erklärte der Mitarbeiter. Im schlimmsten Fall drohe eine Unterbringung ohne Registrierung in dem Hangargebäude. Damit sei wenigstens klar, dass Berlin niemanden Weihnachten auf die Straße schicken werde. 

Zumindest „Basispersonal“ müsste an den Feiertagen für einen funktionierenden Betrieb bereitstehen, erläuterte der LAF-Mitarbeiter weiter. Auf Nachfrage führte er aber nicht aus, wie viele Personen die Behörde noch für die Inbetriebnahme sucht.

Die Situation spitzt sich zu

Lange galt das Wort der Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) in Stein gemeißelt, dass eine Belegung von Turnhallen und eine Unterbringung von Geflüchteten in Zelten in Berlin ausgeschlossen sei. Kipping erklärte im November, dass die Hauptstadt bis zum Jahresende 10.000 neue Plätze für Geflüchtete bereitstellen müsse. Sie sprach zum ersten Mal auch von Leichtbauhallen, die bis Jahresende im ehemaligen Flughafen Tegel fertiggestellt werden sollen.

Mit den Containern im stillgelegten Flughafen Tempelhof greift die Stadt zu einer weiteren Notlösung. Die Kapazitäten zur Unterbringung in befestigten Unterkünften sind in ganz Berlin erschöpft. Neben Zehntausenden Geflüchteten aus der Ukraine haben 2022 auch viele Asylbewerber aus Syrien, Georgien und Moldau Berlin erreicht. Das LAF warnt schon seit Monaten vor einer sich zuspitzenden Krise bei der Flüchtlingsunterbringung.

Initiativen äußern Kritik am Senat

Neben LAF-Präsidentin Carina Harms sitzen auch Vertreter von Flüchtlingsinitiativen bei dem Termin im LAF auf dem Podium. Sie gehen hart ins Gericht mit der Realität der Flüchtlingsunterbringung in Berlin und äußern auch ihre Kritik an der Behörde.

Der Berliner Flüchtlingsrat zeichnet ein Bild von den Verhältnissen am Flughafen Tegel am Rande einer humanitären Krise. Sie berichten von Infektionskrankheiten, die sich unter den Untergebrachten in rasantem Tempo verbreiteten. Besonders Kinder seien derzeit von der Welle aggressiver Atemwegsinfekte betroffen.

Flüchtlinge verblieben oft lange in Tegel

Sie schildern, dass entgegen den Planungen Angekommene zum Teil wochenlang in Tegel verbleiben. Eigentlich sei vorgesehen, dass Geflüchtete nach wenigen Tagen von Tegel in ihre dauerhaften Unterkünfte umziehen sollten. Ähnliches befürchten sie nun auch für die neuen Leichtbauhallen in Tegel und das Containerdorf in Tempelhof.

Der Flüchtlingsrat fordert den Berliner Senat auf, weitere Hotels und Hostels, aber auch Ferienwohnungen als Alternativen zu den beiden ehemaligen Flughäfen zu nutzen. Sie kritisieren, dass Geflüchtete von den Behörden zu wenig Unterstützung bei der Wohnungssuche in Berlin erhielten. Mietangebote würden zu restriktiv geprüft, Mietgarantien für Vermieter fehlten zu häufig.  

Gastfamilien geben auf

Annemarie Braun vom Unterstützungsverein Schöneberg hilft erklärt, dass auch viele Gastfamilien von Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine sich von den Behörden alleingelassen fühlten. Circa 5000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine leben in Berlin in Unterkünften. Eine weitaus größere Zahl sei privat untergebracht, meint Braun. „Die Gefahr ist groß, dass wir Gastfamilien verlieren, weil sie überfordert sind“, sagt Braun. 

Die Gefahr ist groß, dass wir Gastfamilien verlieren

Annemarie Braun, Schöneberg hilft

Anders als in anderen deutschen Städten gebe es für Gastfamilien von ukrainischen Geflüchteten in Berlin etwa keine Energiepauschale, die gestiegene Heizkosten für den Mehrverbrauch dämpfen könnte.

LAF dankt Initiativen für Hilfe

LAF-Präsidentin Carina Harms dankte den Initiativen für ihren Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen durch den Ukrainekrieg. Sie sprach von einer Ausnahmesituation, die sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar ergeben habe. Die weitere Zusammenarbeit von Behörden, Senat und Zivilgesellschaft sei unerlässlich, um weitere Herausforderungen durch den Krieg in Osteuropa und andere geopolitische Krisen zu meistern.

Das Signal kam bei den Flüchtlingsinitiativen an.  Diana Henniges von Moabit hilft sprach von positiven Signalen des LAF. In der Praxis wünsche sie sich aber eine bessere  Zusammenarbeit zwischen Behörden, Betreibern von Asylunterkünften und Helfern.

LAF-Präsidentin Carina Harms erinnerte daran, dass ihre Mitarbeiter im Kriegsjahr 2022 bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit an der Erfüllung ihrer Aufgaben gearbeitet hätten. Es habe sich ein enormes Pensum an Überstunden angesammelt. „Ich habe an Weihnachten nur den Wunsch, dass meine Mitarbeiter die Feiertage mit ihren Familien verbringen können“, sagte sie. Noch scheint unklar, ob dies möglich sein wird.