Der Lichtblick ist Deutschlands einzige unzensierte Gefangenenzeitung. Geschrieben von Inhaftierten für Inhaftierte. Am Freitag mussten sich zwei einstige Redakteure des Blattes vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf Andreas B., einst verantwortlicher Lichtblick-Redakteur, und Elias R. Beleidigung vor. In einem von R. geschriebenen Beitrag seien Behauptungen über eine Justizbedienstete verbreitet worden, die herabwürdigend gewesen seien.
Im Fokus des Verfahrens steht ein Artikel, in dem es um einen angeblichen Sexskandal in der Justizvollzugsanstalt Kassel geht. Darin wurde einer Bediensteten vorgeworfen, einen Inhaftierten mehrfach sexuell genötigt zu haben. Die Knastzeitung berichtete. Reißerisch und vorverurteilend, wie der Staatsanwalt sagt.
Die Ausgabe erschien im September 2021. Da sei das Ermittlungsverfahren gegen die Justizbedienstete bereits eingestellt gewesen, so die Anklage. Im November 2022 wurde das vermeintliche Sex-Opfer wegen falscher Verdächtigungen zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt. In einem Zivilverfahren wurde die Lichtblick-Berichterstattung bereits als Verstoß gewertet, offenbar aber auch eine Schulung für die Redakteure angemahnt.
Andreas B., der seine Haftstrafe abgesessen hat, entlastet seinen Mitangeklagten. Er selbst habe den Beitrag geschrieben, die Informationen vom Anwalt des angeblich Betroffenen erhalten, danach im Justizministerium angerufen und auch versucht, mit der beschuldigten Frau zu telefonieren. Zudem sei später eine Richtigstellung gedruckt worden.
Er beruft sich auch darauf, nur seiner zugewiesenen Arbeit im Gefängnis nachgegangen zu sein. Eine notwendige Schulung für ihn und auch die anderen Schreiber habe es nie gegeben. Dabei sei die JVA dazu verpflichtet gewesen. „Sogar ein Gärtner wird vor dem Gebrauch der Gartenschere eingewiesen“, erklärt der 48-Jährige. Der mitangeklagte Elias R. bestätigt, dass er nicht der Verfasser des Beitrags gewesen sei.
Die Richterin unterbricht Andreas B. „Man darf doch solch schwerwiegende Anschuldigungen nicht schreiben, wenn man sie nicht beweisen kann.“ Um zu erkennen, was üble Nachrede sei, bedürfe es keiner Schulung.
Trotzdem stellt sie das Verfahren auf Antrag des Staatsanwalts ein, weil B. gerade wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde und eine mögliche Strafe gegen den 46-jährigen Elias R. nicht ins Gewicht fallen würde. Er habe noch „soviel abzusitzen“, so die Richterin.


