Es ist Donnerstagmorgen, 18. Dezember 2025, kurz nach acht Uhr. Die RB21 von Potsdam nach Gesundbrunnen fährt vier Minuten später los als gewohnt. Was nach einer Petitesse klingt, entwickelt sich zu einem Lehrstück über die Kommunikation im deutschen Nahverkehr – oder besser gesagt: über deren Abwesenheit.
Eine ältere Dame, die ihre Schwiegertochter in Rathenow besuchen will, wird unruhig. In Wustermark müsste sie umsteigen, aber irgendetwas stimmt nicht. Sie wendet sich an die Zugbegleiterin, die mit einem Achselzucken reagiert: Von Fahrplanänderungen wisse sie nichts. Ein Satz, der in den kommenden Minuten zum Startschuss für eine kollektive Recherche-Aktion im Waggon wird.
Die große App-Rallye
Was folgt, ist digitales Chaos par excellence. Ein Pendler, der sonst in Jungfernheide aussteigt, tippt hektisch in der DB Navigator App herum – Fehlanzeige. Die VBB-App? Totalausfall. Offenbar versucht gerade halb Berlin und Brandenburg gleichzeitig darauf zuzugreifen, vermutlich wegen des Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Die Server kapitulieren.
Da meldet sich ein Mitarbeiter der Wisag zu Wort, der gemütlich auf seinem Viererplatz sitzt: „Nehmt die BVG-App, die funktioniert wenigstens.“ Tatsächlich – ausgerechnet die App der Berliner Verkehrsbetriebe weiß Bescheid über Bauarbeiten zwischen Priort und Dallgow-Döberitz. Die Halte in Wustermark und Elstal entfallen, Ersatzbusse sollen fahren. Die DB Navigator App hingegen behauptet steif und fest, die Streckensperrung finde erst morgen statt.
Die Opfer der eigenen Unternehmenspolitik
Es ist ein Trauerspiel, das sich regelmäßig wiederholt. Die Zugbegleiter, eigentlich erste Ansprechpartner für verunsicherte Fahrgäste, tappen selbst im Dunkeln. Sie sind die Prügelknaben einer Informationspolitik, die offenbar nach dem Zufallsprinzip funktioniert.
Vor zwei Wochen spielte sich am Bahnhof Gesundbrunnen eine Szene ab, die symptomatisch für das Problem ist: Die RB21 aus der Gegenrichtung hatte 45 Minuten Verspätung. Ein Bahnmitarbeiter auf dem Bahnsteig wurde von wütenden Fahrgästen angeschrien, beschimpft, fast schon bedrängt. Seine Lösung? Er flüchtete ans äußerste Ende des Bahnsteigs, um den aufgebrachten Pendlern zu entkommen. Ein Mann, der für Auskünfte da sein sollte, auf der Flucht vor denen, die Auskünfte brauchen.
Das Happy End, das keines ist
Am Ende geht heute alles glimpflich aus – zumindest für die meisten. Ein paar Minuten Verspätung hier und da, die Pendler kommen irgendwie zur Arbeit. Nur die ältere Dame mit dem Besuch bei der Schwiegertochter hat Pech. Sie muss umkehren, sich einen anderen Weg suchen. Immerhin, tröstet sie sich, hat sie gestern schon ein Tagesticket gekauft.
Die eigentliche Pointe aber liefert die Bauinfo selbst: „Die geänderten Fahrpläne sind ab 03.12.25 in der Reiseauskunft unter bahn.de, im DB Navigator sowie in der VBB-App ‚Bus&Bahn' abrufbar.“ Seit über zwei Wochen also hätte man es wissen können – wenn die Apps denn funktionieren würden und wenn irgendjemand dem Personal Bescheid gesagt hätte.

