Palästinenser

Antisemitismus in Neukölln: Polizei ermittelt nach der Demo der Israel-Hasser

Veranstalter weisen Anschuldigungen zurück. Sie sprechen von einem Übersetzungsfehler.

Wieder demonstrierten Palästinenser in Berlin.
Wieder demonstrierten Palästinenser in Berlin.Michael Künne/imago

Nach einer Palästinenser-Demo am vergangenen Sonnabend in Neukölln hat die Berliner Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet. 

Am Sonnabend waren mehrere Hundert Demonstranten vom Rathaus Neukölln zum Kottbusser Tor in Kreuzberg gezogen. Hintergrund waren unter anderem die Konflikte rund um die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Bei der Demonstration in Berlin wurden auch israelfeindliche, gewaltverherrlichende und antisemitische Parolen skandiert.

Zu der Demonstration hatte das palästinensische Gefangenennetzwerk Samidoun aufgerufen. Israel hat die Organisation zur Terrororganisation erklärt. Sie wurde 2012 von Mitgliedern der linksextremen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) gegründet. Die PFLP steht auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union und auf der Terrorliste der USA. Bei der Demonstration, die am Sonnabend unter enger Polizeibegleitung durch die Straßen zog, skandierten Sprechchöre unter anderem „Tod Israel“. Eine entsprechende Szene findet sich etwa in einer Videodokumentation des Vereins Democ. Der Film dokumentiert zudem einen Mann, der „Tod den dreckigen Juden“ ruft.

Die Polizei war nach Aussage einer Sprecherin mit einem Dolmetscher und einem weiteren sprachkundigen Beamten vor Ort. Diese hörten die auf arabisch gerufenen Parolen des Mannes nicht. „Der allein skandierende Mann wurde durch das Video bekannt, weshalb Ermittlungen gegen ihn eingeleitet wurden“, sagte die Polizeisprecherin am Dienstagabend. Den Rufer auf einer Zwischenkundgebung in Höhe der Pannierstraße konnte die Polizei bislang noch nicht namhaft machen. „In die Ermittlungen werden eigene Aufnahmen, die unsere eingesetzten Kräfte angefertigt haben, mit einbezogen“, sagte die Sprecherin.

Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) dokumentierte seinerseits auf einem Video skandierte Parolen zu Vernichtung Israels. Unter anderem riefen die Teilnehmer des Aufzugs „Versammelt euch, lang leben die Waffen“ und glorifizierten verurteilte Terroristen. Zudem wurden Parolen gerufen wie „Wir sind die Leute von Areen“. Das ist eine Terrorgruppe, die Anschläge auf Zivilisten verübt.

Veranstalter weisen die Anschuldigungen zurück

Samidoun hat die Anschuldigungen am Dienstag zurückgewiesen. Jedes Mal werde ein neuer Vorwand benutzt, um die Unterdrückung der palästinensischen Stimme in Berlin voranzutreiben, heißt es in einer Stellungnahme. Dieses Mal sei der Vorwand „ein sensationslüsternes Video“, das in den deutschen Medien verbreitet wurde. „Das fragliche Video enthält absichtliche Übersetzungsfehler, eine offene Dämonisierung der Palästinenser insgesamt und vom Samidoun-Netzwerk im Besonderen.“ In dem Video werde versucht, „eine einzelne Person“ hervorzuheben, die während der Demonstration eine antisemitische Parole gerufen habe. „Die Person, die diese Aussage angeblich rief, ist im Video nicht zu sehen“, heißt es weiter. Keine andere Person habe sich ihr angeschlossen, der Ruf sei weder von der Spitze der Demonstration noch über das Mikrofon gekommen.

Der jüdische Verein Werte-Initiative kritisierte die Polizei und forderte eine Klärung durch die Polizei und die Innensenatorin, warum die Demonstration weder beendet wurde noch es zu Festnahmen vor Ort kam. „Die Anforderung an die Polizei war nicht, versteckte antisemitische Codes zu dechiffrieren, sondern es war banaler, klar erkennbarer Judenhass“, erklärte der Vereinsvorsitzende Elio Adler. „So geht keine wehrhafte Demokratie. Der Schaden ist immens.“

Berlins Bürger- und Polizeibeauftragter Alexander Oerke sagte dem RBB, die Polizei habe zwei Aufgaben: das Versammlungsrecht zu schützen und bei Straftaten einzuschreiten. Es liege am Ende im Ermessen des Einsatzleiters, wie vorgegangen werde. Bereits vor einem Jahr hatte es in Neukölln israelfeindliche Demos gegeben, in deren Zusammenhang die Polizei anschließend für ihr Verhalten kritisiert wurde.

Für den kommenden Sonntagnachmittag mobilisiert Samidoun erneut zu einer Demonstration. Bei der Polizei sind 100 Teilnehmer angemeldet. Anlass der Demo, die am Rathaus Neukölln beginnen soll, ist der internationale Tag der palästinensischen Gefangenen. Bei der Polizei richtet man sich darauf ein, dass es noch weitere israelfeindliche Demonstrationen aus dem propalästinensischen Spektrum geben wird. Anlass dürfte der 75. Jahrestag der Staatsgründung Israels sein.