Nach einer Palästinenser-Demo am vergangenen Sonnabend in Neukölln hat die Berliner Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet.
Am Sonnabend waren mehrere Hundert Demonstranten vom Rathaus Neukölln zum Kottbusser Tor in Kreuzberg gezogen. Hintergrund waren unter anderem die Konflikte rund um die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Bei der Demonstration in Berlin wurden auch israelfeindliche, gewaltverherrlichende und antisemitische Parolen skandiert.
Zu der Demonstration hatte das palästinensische Gefangenennetzwerk Samidoun aufgerufen. Israel hat die Organisation zur Terrororganisation erklärt. Sie wurde 2012 von Mitgliedern der linksextremen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) gegründet. Die PFLP steht auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union und auf der Terrorliste der USA. Bei der Demonstration, die am Sonnabend unter enger Polizeibegleitung durch die Straßen zog, skandierten Sprechchöre unter anderem „Tod Israel“. Eine entsprechende Szene findet sich etwa in einer Videodokumentation des Vereins Democ. Der Film dokumentiert zudem einen Mann, der „Tod den dreckigen Juden“ ruft.
Die Polizei war nach Aussage einer Sprecherin mit einem Dolmetscher und einem weiteren sprachkundigen Beamten vor Ort. Diese hörten die auf arabisch gerufenen Parolen des Mannes nicht. „Der allein skandierende Mann wurde durch das Video bekannt, weshalb Ermittlungen gegen ihn eingeleitet wurden“, sagte die Polizeisprecherin am Dienstagabend. Den Rufer auf einer Zwischenkundgebung in Höhe der Pannierstraße konnte die Polizei bislang noch nicht namhaft machen. „In die Ermittlungen werden eigene Aufnahmen, die unsere eingesetzten Kräfte angefertigt haben, mit einbezogen“, sagte die Sprecherin.
»Tod den Juden! Tod Israel!« Rund 300 Menschen demonstrierten am 8.4.23 in Berlin von Neukölln nach Kreuzberg. Die Teilnehmenden riefen antisemitische Parolen und verherrlichten terroristische Gewalt. #b0804 #Antisemitismus pic.twitter.com/5I8ck6NNO0
— democ. (@democ_de) April 9, 2023
Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) dokumentierte seinerseits auf einem Video skandierte Parolen zu Vernichtung Israels. Unter anderem riefen die Teilnehmer des Aufzugs „Versammelt euch, lang leben die Waffen“ und glorifizierten verurteilte Terroristen. Zudem wurden Parolen gerufen wie „Wir sind die Leute von Areen“. Das ist eine Terrorgruppe, die Anschläge auf Zivilisten verübt.
Veranstalter weisen die Anschuldigungen zurück
Samidoun hat die Anschuldigungen am Dienstag zurückgewiesen. Jedes Mal werde ein neuer Vorwand benutzt, um die Unterdrückung der palästinensischen Stimme in Berlin voranzutreiben, heißt es in einer Stellungnahme. Dieses Mal sei der Vorwand „ein sensationslüsternes Video“, das in den deutschen Medien verbreitet wurde. „Das fragliche Video enthält absichtliche Übersetzungsfehler, eine offene Dämonisierung der Palästinenser insgesamt und vom Samidoun-Netzwerk im Besonderen.“ In dem Video werde versucht, „eine einzelne Person“ hervorzuheben, die während der Demonstration eine antisemitische Parole gerufen habe. „Die Person, die diese Aussage angeblich rief, ist im Video nicht zu sehen“, heißt es weiter. Keine andere Person habe sich ihr angeschlossen, der Ruf sei weder von der Spitze der Demonstration noch über das Mikrofon gekommen.
"Lang leben die Waffen!" & "Raketen regnen Freiheit!":
— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) April 10, 2023
Teilnehmende einer israelfeindlichen #Samidoun-Demonstration am 08.04. in #Berlin-Neukölln glorifizieren Terroristen und rufen zur Waffengewalt. Unser Bericht mit einer inhaltlichen Einordnung. #b0804 #Antisemitismus pic.twitter.com/ZkioddwbBG
Der jüdische Verein Werte-Initiative kritisierte die Polizei und forderte eine Klärung durch die Polizei und die Innensenatorin, warum die Demonstration weder beendet wurde noch es zu Festnahmen vor Ort kam. „Die Anforderung an die Polizei war nicht, versteckte antisemitische Codes zu dechiffrieren, sondern es war banaler, klar erkennbarer Judenhass“, erklärte der Vereinsvorsitzende Elio Adler. „So geht keine wehrhafte Demokratie. Der Schaden ist immens.“
Berlins Bürger- und Polizeibeauftragter Alexander Oerke sagte dem RBB, die Polizei habe zwei Aufgaben: das Versammlungsrecht zu schützen und bei Straftaten einzuschreiten. Es liege am Ende im Ermessen des Einsatzleiters, wie vorgegangen werde. Bereits vor einem Jahr hatte es in Neukölln israelfeindliche Demos gegeben, in deren Zusammenhang die Polizei anschließend für ihr Verhalten kritisiert wurde.


