„Pro Palästina“-Demonstrationen

Judenhass in Neukölln – und die Berliner Polizei schaut zu

Das neue Versammlungsrecht von Rot-Rot-Grün macht’s möglich: Die Berliner Polizei folgt den Anweisungen des Veranstalters einer Hass-Demo.

Hunderte Demonstranten zogen am Freitag und Sonnabend durch Neukölln, dabei kam es auch zu antisemitischen Übergriffen.
Hunderte Demonstranten zogen am Freitag und Sonnabend durch Neukölln, dabei kam es auch zu antisemitischen Übergriffen.pa/Zumapress

Berlin-Bislang war nur die Polizei befugt, jemandem einen sogenannten Platzverweis auszusprechen. Seit Neuestem dürfen das auch Leiter israelfeindlicher antisemitischer Demonstrationen. Wie das von der rot-rot-grünen Koalition 2021 beschlossene Versammlungsfreiheitsgesetz funktioniert, zeigte sich bei den gewalttätigen „Pro Palästina“-Demos am Wochenende.

Israelfeindliche und antisemitische Parolen wurden gebrüllt, Journalisten geschlagen und getreten und als „Drecksjude“ beschimpft. Darunter waren ein Reporter der Bild-Zeitung und ein Berichterstatter des Jüdischen Forums, der seinen Presseausweis vorzeigte. Der Versammlungsleiter von der Gruppe „Palästina spricht“ machte von seiner im neuen Versammlungsrecht verankerten Möglichkeit Gebrauch, diese aus der Demo auszuschließen. Er erteilte ihnen einen „Platzverweis“.

Zu guter Letzt drohte er sechs Journalisten für das nächste Mal, dass sie sich von Demos fernhalten sollen: Von ihnen seien Fotos angefertigt worden. Im Wortlaut sagte er: „Das nächste Mal werden Leute sein mit Ihren Bildern, die Sie ganz klar dazu zwingen werden.“ Das „nächste Mal“, das dürfte der 1. Mai sein, bei dem die „Migrantifa“ wie im vergangenen Jahr zur 18-Uhr-Demo aufruft.  Und am 15. Mai, dem Nakba-Tag. An diesem wird der Flucht und Vertreibung der Araber aus dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina gedacht, nachdem das neu gegründete Israel von seinen arabischen Nachbarstaaten angegriffen wurde.

Auf die Frage eines Reporters an der Versammlungsleiter, ob „mit Zwang“ Gewalt sei, sagte dieser: Die Polizei würde dann Gewalt anwenden. Zu sehen ist dies unter anderem auf einem vom Jüdischen Forum festgehaltenen Video. Das Geschehen beobachtete der Einsatzleiter der Polizei, die dann verfügte, dass die Berichterstatter sich zu entfernen hätten.

Schwammige Formulierungen im neuen Berliner Versammlungsrecht

„So etwas habe ich in 25 Jahren Beobachtertätigkeit noch nie erlebt“, sagt Levi Salomon vom Jüdischen Forum. „Dass sich die Polizei solchen Forderungen eines Versammlungsleiters anschließt.“

Möglich macht solche Vorkommnisse Paragraf 7, Absatz 4 des neuen Versammlungsfreiheitsgesetzes, laut dem die Versammlungsleitung Personen, die die Ordnung der Versammlung „erheblich stören“, aus der Demo ausschließen darf. Unter anderem diese Regelung wird von Experten und auch von Polizisten kritisiert, die das Gesetz in der Praxis umsetzen müssen. Denn die Polizisten müssen danach selbst entscheiden, was eine „erhebliche Störung“ ist. Das gelingt nicht jedem.

Für Grüne und Linke liegt die Verantwortung klar auf der Seite der Polizei. Vasili Franco von den Grünen sieht keinen Bedarf, an dem Gesetz etwas zu ändern. „Die Übergriffe am Wochenende sind unter keinen Umständen durch das Versammlungsrecht gedeckt“, sagt er. „Es ist aber absurd, wenn man die Ursachen für polizeiliches Fehlverhalten im Berliner Versammlungsrecht sucht.“ Es sei Aufgabe der Polizei, antisemitische Parolen und Gewalt gegen Pressevertreter zu unterbinden.

Niklas Schrader von der Linkspartei sieht ebenfalls keine Mängel im Gesetz: Die Verantwortung liege bei der Polizei, die selbst prüfen müsse, ob eine erhebliche Störung der Versammlung vorliege. „Der Versammlungsleiter darf nicht nach Gutdünken die Pressefreiheit aushebeln“, sagt er. Die Polizei müsse bei ihrer Abwägung die Pressefreiheit berücksichtigen. Dies sei im Fall vom Wochenende nicht zu erkennen gewesen. Schrader zeigt sich aber offen dafür, das Gesetz noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und bei Bedarf „Formulierungen nachzuschärfen“.

Hamas-Militärchef wird beschworen – und die Polizei bekommt nichts mit

Schon in den Anhörungen zu dem Gesetzentwurf äußerten Experten viel Kritik: Schwammige Begriffe, die in der Fachliteratur nicht erklärt würden, Unklarheiten beim Vermummungsverbot, Wegfall des Begriffs „öffentliche Ordnung“. Medienvertreter können als Teilnehmer einer Demo gewertet – und ausgeschlossen werden. Wegen der  Kritik vereinbarten SPD, Grüne und Linke in ihrem Koalitionsvertrag, Mitte der Wahlperiode das Versammlungsfreiheitsgesetz zu überprüfen. Und auch Levi Salomon vom Jüdischen Forum meint: „Wenn es in diesem Gesetz Lücken gibt, dann muss man sie schließen.“

„Man hat am Wochenende leider sehr deutlich gesehen, warum wir vorher auf die eklatanten Lücken im Versammlungsfreiheitsgesetz hingewiesen haben“, sagt Stephan Kelm von der Gewerkschaft der Polizei. Presse- und Meinungsfreiheit seien Grundrechte, die es zu schützen gelte. „Aber von der Couch aus Bewertungen abzugeben, wenn Einsatzkräfte in einer hitzigen Lage ein fehlerhaftes Gesetz anwenden müssen sowie notwendige Entscheidungen treffen, um Menschen zu schützen und Eskalation zu verhindern, ist schon eine Hausnummer.“

Am Tag bevor sie von der Polizei unterstützte „Platzverweise“ aus der „Pro Palästina-Demo“ bekamen, dokumentierten Berichterstatter des Jüdischen Forums auch, wie Demonstranten am Freitag in Neukölln ungestört unter anderem skandierten: „Leg das Schwert neben das andere Schwert, denn wir sind die Männer von Mohammed Deif“ (der militärische Befehlshaber der Hamas, Anmerkung d. R.). Und: „Geliebter und tapferer Widerstandskämpfer, schlag unser Blut gegen Tel Aviv.“ Die Polizei soll drei Arabisch-Dolmetscher im Einsatz gehabt haben.