Weihnachten naht – doch während andere Berliner Prachstraßen und Boulevards schon jetzt mit großer Festbeleuchtung aufwarten, wirkt die Landsberger Allee erstaunlich nüchtern. Nicht einmal die für Berlin so typischen bunt leuchtenden Lichterketten sind hier zu finden. Und auch den obligatorischen Glühweinstand „ums Eck“ sucht man hier bislang vergeblich. Um es mit den Worten Opa Hoppenstedts zu sagen: „Früher war mehr Lametta“.
Damit die Ost-Berliner trotzdem in Feststimmung kommen und nicht dem traurig-trüben Novembergrau anheimfallen, haben die Mitarbeiter des Weihnachtsbaumstands „der Tannenmann“ nahe der S-Bahn-Station Landsberger Allee jetzt schon ihren Baumverkauf gestartet.
In Reih und Glied stehen dort die Nordmanntannen, die allesamt aus dem Sauerland stammen. Auch Blaufichten und Kiefern warten darauf, ein neues Zuhause zu finden. Der Duft von Harz und frischem Tannengrün steigt bereits jetzt in in die Luft – und lockt die ersten Kunden an.

Standleiter Kasimir, inzwischen seit zwei Jahren als Baumverkäufer tätig, freut sich auf das Weihnachtsgeschäft: „Wenn ich keine Tannenbäume verkaufe, arbeite ich freiberuflich als Tischler“, erzählt uns der junge Mann. Am Abend wenn die vielen Lampen ihr sanftes Licht auf das Tannengrün werfen, sei es besonders schön. „Ihr müsstet eigentlich am Abend nochmal kommen, wenn die vielen Lichter angehen – das ist eine ganz besondere Atmosphäre.“
Baumpreise steigen weiter: „Qualität hat seinen Preis“
Der Verkauf sei schon jetzt gut angelaufen, so Kasimir. Der große Ansturm werde aber erst in zwei bis drei Wochen erwartet: „Wir haben dieses Jahr schon ein bisschen früher aufgemacht – aktuell sind es noch eher wenig Kunden. Aber das wird schon noch.“
Die Beschwerden vieler Berliner über die steigenden Baumpreise kann Kasimir nicht verstehen. „Wir haben seit zwei Jahren die Baumpreise nicht angehoben. Von daher kann ich die Kritik nicht verstehen. Und wer unsere Preise zu hoch findet, dem kann ich nur sagen: Qualität hat eben seinen Preis.“

Die Preise bewegen sich je nach Baumgröße zwischen 19 und 139 Euro, berichtet uns der Tannenbaumverkäufer. Von allen angebotenen Baumsorten sei die Nordmanntanne noch immer der absolute Kassenschlager: „Aber auch die Blaufichte oder die Kiefer werden zunehmend nachgefragt. Die Fichte ist ja mein persönlicher Tipp. Sie hat einen viel schöneren Geruch als die Nordmanntanne. Dafür ist sie aber etwas pieksiger.“
„Manche Kunden sind sehr, sehr schwierig“
Er liebe seine Arbeit, erzählt uns Kasimir dann. Aber manchmal, da komme er an seine Grenzen – vor allem bei den besonders pingeligen Kunden. „Es gibt da so manche Spezialisten, die an wirklich jedem Baum etwas auszusetzen haben. Der eine ist zu schief, der andere hat einen krummen Ast, der andere ist ‚komisch gewachsen‘ beim nächsten sind die Nadeln nicht grün genug.“ Der Berliner schüttelt den Kopf.
Er fühle sich manchmal eher wie ein Psychologe als wie ein Verkäufer: „Ehrlich: Manche Leute sind schon wirklich sehr, sehr schwierig. Die erwarten hier eine Art Maßanfertigung wie aus dem Möbelhaus. Aber das ist einfach unmöglich. Ein Baum ist nun mal ein Naturprodukt – und sowieso: den perfekten Baum gibt es nicht.“
„Ich bin absolut Weihnachtsverrückt“
Dann meldet sich Roman zu Wort – einer der ersten Kunden an diesem Tag. „Können Sie bitte mal kommen?“, ruft er Kasimir zu, der sofort zur Stelle ist. Aus den vielen Baumreihen hat er bereits sein Objekt der Begierde ausgekundschaftet. „Der hier soll es sein“, sagt er zu Kasimir und lässt sich eine rund 1,70 Meter hohe Nordmanntanne einpacken.
Als wir Roman fragen, warum er denn schon so viele Wochen vor Weihnachten einen Tannenbaum kauft, lacht er zunächst leise in sich hinein. „Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten“, sagt er dann. „Ich bin komplett Weihnachtsverrückt. Ich liebe einfach alles, was irgendwie damit zu tun hat.“

Dass er mit dem Baumkauf in diesem Jahr so früh dran ist, habe jedoch auch ganz praktische Gründe: „Wir werden dieses Jahr über Weihnachten wegfahren – das heißt, der Baum wird ohnehin schon Mitte Dezember abgebaut“, so der gebürtige Kölner.
„Also dachte ich mir, ich kaufe ihn jetzt, damit wir uns noch ein bisschen länger an ihm erfreuen können. Ein weiterer Vorteil ist: die schönen Bäume sind noch da – ich habe also eine deutlich größere Auswahl als sonst.“
Geheimtipp für Baumjäger: „Bald purzeln die Preise“
Roman ist auch sonst ein guter Weihnachts-Ratgeber. Er verrät uns noch eine Information, die er – wie er betont – „aus absolut sicherer Quelle“ habe. Beim Weihnachtsbaumverkauf an der Landsberger Allee soll es nämlich in wenigen Tagen Sonderrabatte geben.

„Ab Donnerstag fallen die Preise – dann lohnt sich der Baumkauf besonders“, sagt er mit verschwörerischer Stimme, als hätte er soeben ein gut gehütetes Geheimnis preisgegeben. „Das sind die letzten Tage vor dem ersten Advent. Da kosten die Bäume dann nur 20 Euro. Das können Sie gerne auch Ihren Lesern berichten.“ Gesagt, getan.
Warum sich der frühe Baumkauf lohnt
Dann rollt ein großer SUV auf den Parkplatz – daraus springen drei kleine Kinder im Alter von etwa drei bis acht Jahren, dicht gefolgt von ihren Eltern. Als wir Vater Martin nach seinen Vorstellungen für den perfekten Weihnachtsbaum fragen, lacht er herzlich. „Das habe nicht ich zu entscheiden!“
Eigentlich hätten sie gar nicht geplant, so früh einen Weihnachtsbaum zu kaufen, erzählt er. Doch die Kinder hätten so lange auf ihn eingeredet, bis er schließlich nachgab und die ganze Familie in den Wagen packte: „Die Kinder entscheiden, welcher Baum es werden soll. Ich bin also gespannt!“ Außerdem, sagt er, habe man jetzt noch eine richtig gute Auswahl. Kurz vor Weihnachten sei es manchmal schwierig, überhaupt noch ein schönes Exemplar zu finden.



