Es ist der dritte Anlauf in dem Prozess um einen getöteten Radfahrer. Zum dritten Mal kamen die Angehörigen des 64-jährigen Bernd W. ins Gericht. Zum dritten Mal wurden sie an diesem Donnerstag wieder nach Hause geschickt. Der Grund: Ausgerechnet am bundesweiten Warntag ist die Alarmanlage im Kriminalgericht Moabit ausgefallen. Dort verhandelt auch das Amtsgericht Tiergarten. Zahlreiche Menschen wurden am Morgen nicht ins Gebäude gelassen, darunter auch Zuschauer. Damit, so sagt es Stefan Schmidt, der Vorsitzende Richter, sei der Grundsatz, die Öffentlichkeit umfassend herzustellen, nicht gewährleistet.
In dem Verfahren geht es um den Tod des 64-jährigen Bernd W. Er war am 7. Februar 2020 auf der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg von einem Auto erfasst und getötet worden. An jenem Tag wollte er mit dem Fahrrad von seinem Büro zum Bahnhof Zoologischer Garten fahren, um sich eine Fahrkarte zu kaufen. In wenigen Tagen wollte der Architekt nach Frankfurt am Main reisen. Auf dem kurzen Rückweg geschah es.
Gegen 14.45 Uhr soll Anatoliy K. mit seinem 600 PS starken BMW viel zu schnell auf der Kantstraße, auf der Tempo 30 galt, unterwegs gewesen sein. In Höhe des Savignyplatzes habe er sein Fahrzeug auf mehr als 70 Kilometer pro Stunde beschleunigt, dann mit hoher Geschwindigkeit einem Transporter ausweichen müssen und das Fahrzeug rechts überholt, so die Anklage. Dabei sei sein Auto ins Schlingern geraten und habe den Radfahrer erfasst, der in derselben Richtung auf der Busspur unterwegs gewesen sei.
Bernd W. soll zunächst auf die Motorhaube, dann rund 37 Meter weit auf die Fahrbahn geschleudert worden sein. Dabei erlitt er ein Polytrauma und einen Genickbruch. Er konnte noch reanimiert werden, starb jedoch wenig später im Krankenhaus.
Anatoliy K. muss sich in dem Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs verantworten. Er soll Mitinhaber eines Pflegedienstes sein und bereits einige Verkehrsdelikte begangen haben. Am Donnerstag erschien er vor Gericht. Anders als zu den Terminen zuvor, zu denen er sich krankgemeldet hatte.
Richter Schmidt bedauerte, die Hauptverhandlung aussetzen zu müssen. Es falle ihm sehr schwer, gerade mit Blick auf die Hinterbliebenen. Die Frau, die Tochter und der Sohn von Bernd W. sind in dem Verfahren Nebenkläger. Er habe eine solche Situation wie heute in seinen 29 Berufsjahren in diesem Hause noch nie erlebt, sagt Schmidt. Da die Öffentlichkeit aber nicht hergestellt sei, wäre es fehlerhaft, die Hauptverhandlung zu beginnen.

Schmidt regt an, in dem Fall ins Strafbefehlsverfahren zu wechseln, den Angeklagten zu einem Jahr Freiheitsentzug auf Bewährung zu verurteilen und ihm für ein Jahr und drei Monate die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Anatoliy K. äußert sich am Donnerstag nicht persönlich zum Tod von Bernd W. Er sei in einer emotional belastenden Situation, sagt sein Anwalt Andreas Schulz. Zum Vorschlag des Richters sagt Schulz, sein Mandant werde die Verantwortung übernehmen. Er wisse um den Schmerz der Angehörigen. Wenn das Gericht seine Schuld feststellen sollte, werde er dies akzeptieren.
Gegen ein Strafbefehlsverfahren wendet sich Sabine S., die Witwe des getöteten Radfahrers. „Wir sind nicht einverstanden“, sagt sie. Alle seien interessiert an einem Abschluss – aber nicht ohne Prozess. Und ihre Anwältin fügt hinzu: Den Tod von Bernd W. als schicksalhaft abzutun, sei eine inakzeptable Vorstellung.
Nun muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie einen Strafbefehl beantragt oder nicht. Die zuständige Dezernentin wurde am Donnerstag von einem Kollegen vertreten.


