Es ist eine gefährliche Kreuzung. 2020 wurde am Knotenpunkt Salvador-Allende-Straße/Müggelheimer Damm in Köpenick ein Fahrradfahrer von einem Lastwagen getötet. Nun hat es einen weiteren Todesfall gegeben. Am Montag starb eine 74 Jahre alte Radfahrerin – ebenfalls unter einem Lkw, der rechts abbog. Das war der Anlass für die Demonstration, die am Mittwochabend stattfand. Mehr als 100 Menschen versammelten sich an der Kreuzung im Südosten Berlins, um mehr Sicherheit für Radfahrer zu fordern.
Die Fahrraddemonstration hatte in Kreuzberg begonnen. Sie führte an Menschen in rot-weißen Trikots vorbei, die auf dem Weg zum Testspiel des 1. FC Union gegen Rapid Wien waren. An der Unfallstelle angekommen, hielten die Teilnehmer um 17.30 Uhr eine Minute lang schweigend inne. Danach stellten sie in Gedenken an die verstorbene Radfahrerin ein Geisterrad auf. Es ist bereits das sechste in diesem Jahr.
Philipp Heinlein von Changing Cities sprach von dem Leid der Unfallbeteiligten und der Ersthelfer. Und von Kreuzungen wie dieser – „Kreuzungen, die Menschen ohne Auto nicht berücksichtigen“. Nach dem tödlichen Unfall vor rund drei Jahren hätten sich die Verantwortlichen „für Placebo-Maßnahmen und gegen wirksamen Schutz entschieden“. Der 46-Jährige meinte die rote Fahrbahnmarkierung, die nach dem ersten Unfall aufgebracht wurde. Es wäre nötig gewesen, die Bereiche für Fahrräder und Autos auch baulich voneinander zu trennen. Dies versäumt zu haben, sei „ein tödlicher Fehler“ gewesen.
Im 2018 verabschiedeten Berliner Mobilitätsgesetz, das in Deutschland einzigartig ist und der Verkehrspolitik wirksamen Klimaschutz, Mobilität für alle, aber besonders auch Verkehrssicherheit zum Ziel setzt, ist von Vision Zero die Rede. Vision Zero ist ursprünglich ein Konzept, das aus dem Arbeitsschutz stammt: Niemand soll mehr bei Unfällen sterben oder schwer verletzt werden. Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) bezeichnete am Montag die Vermeidung von Verkehrstoten als „den zentralen Auftrag“.
Von Mopedfahrerin auf dem Gehweg überholt
„Die Vision Zero wird gepredigt, aber sichere Infrastrukturprojekte werden gestoppt“, sagte Philipp Heinlein der Berliner Zeitung. Die Zuschreibung von Täterrollen sei bei solchen Unfällen zwar nicht hilfreich, trotzdem meint der Adlershofer, der Unfall ließe sich nicht von der aktuellen Verkehrspolitik trennen. Es gäbe funktionierende und sichere Infrastrukturkonzepte, die jedoch in Berlin keine Anwendung finden. Hinter ihm sind auf der Fahrbahn noch in neongrüner Sprühfarbe die Umrisszeichnungen der Spurensicherung zu erkennen.
Zweites Ziel der Fahrraddemonstration war am Mittwochabend das Bundesverkehrsministerium in Mitte. Auf dem Weg dorthin wurden die Radfahrer auf der Köpenicker Chaussee in Rummelsburg von einer Mopedfahrerin auf dem Gehweg überholt. Ein Fahrradpolizist am Kopf der Demonstration nahm die Verfolgung auf und hielt die Frau an. Als die Demonstration beide passierte, wurde der Polizist für seinen Sprint bejubelt. Die Mopedfahrerin bekam von den Radfahrern schadenfreudiges Klingeln zu hören. Später, auf der Karl-Marx-Allee, weisen Polizisten Touristen darauf hin, dass E-Scooter jeweils nur von einer Person genutzt werden dürfen.
An der Abschlusskundgebung vor dem Ministerium nahmen laut Polizeiauskunft noch ungefähr 60 Demonstranten teil. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club erinnerte an die Zahl der getöteten Radfahrer in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren: 4660. Er plädierte an Verkehrsminister Volker Wissing persönlich Assistenzsysteme mit Kollisionserkennung und Notstopp nachrüstungspflichtig zu machen.


