Ich saß in einem vietnamesischen Restaurant in Berlin, als ich zum ersten Mal über Elon Musk nachdachte. Es ist ein paar Jahre her. Der Sohn der Restaurantinhaber war an den Tisch gekommen, um uns von einem Buch vorzuschwärmen, das er gerade las. Es war eine Biografie von Elon Musk. Es ging darum, wie Musk die Welt veränderte. Die Augen des Mannes glänzten, er erzählte von PayPal, Tesla und SpaceX. Musk sei eine absolute Inspiration für ihn, sagte er. Ein Mensch des Jahrhunderts.
So schien es eine Zeit lang vielen Menschen, vor allem Männern, zu gehen. Alles, was Musk begann, schien revolutionär. Nun ja. In den letzten Wochen hat das Image des Unternehmers und Multimillionärs ziemlich gelitten. Seit er Twitter gekauft hat. Aber ich muss sagen, dass ich gerade jetzt große Hoffnungen auf Elon Musk setzte.
Als Facebook in Deutschland populär wurde, meldete ich mich nicht an. Man muss nicht alles mitmachen, sagte ich Freunden. Ich sagte nicht, dass ich mich vor allem vor mir selbst schützen wollte. Ein soziales Netzwerk, in dem ich rund um die Uhr nachschauen konnte, was meine Freunde und die Freunde meiner Freunde machen? Ich bin nicht anfällig für Süchte, was Alkohol oder Drogen betrifft, aber vor Facebook hatte ich Angst.
Bis zur Pandemie hatte ich die Sache im Griff
Bis heute bin ich dort nicht, aber einige Jahre später wurde ich schwach und meldete mich bei Twitter an. Ein soziales Netzwerk, in dem es nicht um die Urlaubsfotos, sondern um Nachrichten und politische Meinungen ging. Das hielt ich für beherrschbar. Ich würde ein-, zweimal am Tag schauen, was es Neues gibt. So stellte ich mir das vor.
Vielleicht gelang mir das in den ersten Jahren. Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern. Bis zur Pandemie, glaube ich, hatte ich die Sache im Griff. Dann schrieb eine Freundin auf Twitter: Der einzige Ort, der bald noch offen haben wird, sei der hier. Ich glaube, im ersten Lockdown rutschte ich ab.
Inzwischen öffne ich die App auf meinem Handy meist kurz, nachdem der Wecker geklingelt hat. Ich liege dann noch im Bett. Es ist peinlich, das aufzuschreiben, aber wenn man eine Sucht loswerden will, muss man genau so anfangen, habe ich gelesen. Sich eingestehen, dass man abhängig ist. Mit den Ausreden aufhören. Ich brauche das für meine Arbeit! Das ist ein Satz, den ich mir selbst nicht mehr glaube.
Ich habe die Twitter-App schon mehr als einmal gelöscht. Ein Freund hat mir neulich erzählt, wie sehr seine Lebensqualität dadurch gestiegen sei. Die ganze Missgunst, die sinnlosen Streitereien auf Twitter, er bekomme von all dem nichts mehr mit. Ich konnte ihm nicht erklären, warum ich die App wieder installiert hatte. Weil Twitter die schnellste Informationsquelle ist, wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert?
Das mag zwar stimmen, aber am Dienstagabend erfuhr ich auf Twitter etwa 50 Mal hintereinander, dass in Polen, nahe der Grenze zur Ukraine, eine Rakete eingeschlagen war. Mehr wisse man nicht. Ein Dutzend Mal wurde mir mitgeteilt, dass ich die Ruhe bewahren solle, bis man mehr wisse. Obwohl ich überhaupt nicht beunruhigt war. Ich lag wieder im Bett, denn ich öffne Twitter auch abends, vor dem Einschlafen.




