„Mr. Kush“ war der Nutzername, unter dem er Hunderte Kilogramm Marihuana verkauft haben soll: Sadik S., ein stämmiger Mann von 31 Jahren mit rasierter Halbglatze und Bartstoppeln. Er nutzte dafür den Krypto-Dienst Encrochat, so heißt es in der Anklage, die minutiös seine Taten auflistet. Insgesamt verkaufte er im Frühjahr 2020 auf diese Weise Gras im Wert von knapp 840.000 Euro. Seit diesem Montag muss er sich vor dem Berliner Kriminalgericht verantworten.
Encrochat beschäftigt schon seit einer ganzen Weile die Gerichte. Der Dienst bot bis zu seiner Auflösung im Jahr 2020 verschlüsselte Mobiltelefone und Chatinfrastruktur an, die lange Zeit als nicht zu knacken galten und deswegen vor allem bei Kriminellen beliebt waren. Dann gelang es französischen Ermittlern, den Krypto-Dienst zu entschlüsseln. Die Chat-Daten gingen an europäische Strafverfolgungsbehörden, in Deutschland an das Bundeskriminalamt, und ermöglichten eine Vielzahl an Ermittlungen. Seitdem kommt es immer wieder auch in Berlin zu Erfolgen gegen die organisierte Kriminalität.
Für den Drogendealer S. ist der Gerichtssaal kein unbekannter Ort. Er hat einige Einträge im Bundeszentralregister und sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Seine Straftatenliste ist lang: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzungen in drei Fällen und zweimaliges „Fahren ohne“, listet der Richter auf. Auch einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft blickt S. entgegen.
Der Umfang von „Encrochat-Verfahren“ ist beachtenswert: Seit der Entschlüsselung der Chats seien in Berlin 438 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, sagte die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) im September 2022. Am Landgericht Berlin seien bis heute 86 Anklagen eingegangen, sagte eine Sprecherin des Gerichts auf Anfrage. Zusätzlich ist es der EU-Polizeibehörde Europol Ende 2020 gelungen, mit SKY ECC einen weiteren Krypto-Dienst zu entschlüsseln. Der hierbei sichergestellte Datensatz soll noch deutlich größer sein als der von Encrochat. Auch in Zukunft wird die Berliner Justiz also mit dieser Art von Fällen konfrontiert sein.


