Fünf junge und fitte Personen in farbenfrohen, geschlechtsneutralen Kostümen tanzen und arbeiten sich in einer Kulisse, die an ein Prinzessinnenschloss aus einer Playmobil-Welt erinnert, an einer Textfläche voller Ekel, Grauen und Gewalt ab. Die Regisseurin Pınar Karabulut spricht von feministischem Empowerment. Sie hat einen kaltblütigen, poppigen Abend inszeniert und choreografiert, der im vergangenen Oktober in den Münchner Kammerspielen herauskam und von der Jury des Theatertreffens mit einer Einladung geehrt wurde; am Dienstagabend war Gastspielpremiere im Haus der Berliner Festspiele.
Der Text „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“ von Sivan Ben Yishai – auf Deutsch von Maren Kames – ist ein Schmerzensgesang, dessen größter Teil die Widmung einnimmt. Adressiert werden alle, die die Rollenbilder und Narrative einer männlich dominierten, toxischen Welt erfüllen und repräsentieren. Es handelt sich um eine Sammlung an seelen- und freudlosen körperlichen Erlebnissen, an Ohnmachtserfahrungen, an Erniedrigungen, an sexuelle Gewalt: von der verpatzten Entjungferung über die Hochzeitsnacht bis zur Gruppenvergewaltigung.
Personen jeden Geschlechts und jeden Alters werden zu Objekten gemacht, gequält, vorgeführt, gefilmt, vergewaltigt, ermordet, noch als Leichen geschändet. Fünf Freundinnen malen sich als Sechsjährige bei einem Eisbecher ihr vorgeprägtes Leben aus und teilen kurz vor ihrem gemeinsamen Tod die Erinnerungen an verpfuschte Leben und vergiftete Beziehungen.
Dieses Stück ist wie ein Ritual, mit dem Ängste und Gefahren gebannt werden sollen, indem man sie reproduziert, variiert, feiert, ausmalt, vielleicht um sie zu teilen und in einem nächsten Schritt zu überschreiben und neu zu besetzen. Es gibt eine Triggerwarnung, die auf die retraumatisierende Wirkung des Textes für Personen mit entsprechenden Erfahrungen hinweist, diesen vom Besuch der Veranstaltung abrät – und im Text als zynisches Verkaufsargument reflektiert wird.
Dass man damit Aufmerksamkeit und Neugier regeneriert, ist ein Hinweis auf die seelische Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Fast alle Berichte und Kritiken zur Uraufführung in den Münchner Kammerspielen steigen damit ein oder spielen in der Schlagzeile damit.
Vielleicht muss man das so machen: Statt sich mit eingezogenem Kopf ins Leben zu finden und auf Schonung und Glück zu hoffen, wird man sich darüber klar, dass etwas ganz tief in den familiären Strukturen des Zusammenlebens verdächtig, ungerecht und letztlich tödlich ist. Und man bereitet sich darauf vor, dass alle Versprechen von Liebe – und alles Vertrauen in Verbindlichkeit – letztlich in Gewalt und Schuld münden. Diese aufklärerische, aber finstere Sicht des Textes lässt keine Hoffnung, und da hilft es erst recht nicht, wenn die Inszenierung seinen Schmerz mit Farbe und Schwung wegdekoriert.


