Wen der liebe Gott bestrafen will, dessen Gebete erhört er, weiß der Volksmund. Nur Bernhard Wächter hat davon noch nichts gehört. Er ist ein stiller Kauz von 38 Jahren, wohnt allein in seiner Wohnung und hält sich für das Leben nicht geeignet. Deshalb will er es beenden. Er hat bereits den Strom und die Hausratversicherung abgemeldet und klettert aufs Fensterbrett, um ohne Bedauern aus dem vierten Stock hinunterzuspringen. Just da klingelt es stürmisch an der Tür. Und die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung.
„Einszweiundzwanzig vor dem Ende“ heißt diese schwarze Komödie von Matthieu Delaporte, die in der Regie von Sebastian Sommer im Renaissance-Theater auch genau 82 Minuten dauert. Alexander Grüner hat dafür das praktische Bühnenbild mit Sitzecke und Küchenzeile entworfen, und natürlich mit dem großen Fenster, das der Regen malerisch gestreift hat. Fast zu klein ist der Wohnraum für den kräftigen Bernhard und seinen hypernervösen Besucher.
Aljoscha Stadelmann steht als wild entschlossener Selbstmordkandidat oft wie ein vergessenes Möbelstück herum, belustigt dann wieder mit feinen, komischen Bewegungen und absurden Einwürfen. Harald Schrott als sein schmaler Zappelphilipp von Gast stellt sich als der Tod vor, worauf Bernhard erst einmal herzlich zu lachen beginnt: Kein Knochenmann und außerdem ohne Sense? Stattdessen ein Kerl von der Straße mit Anzug und Schnurrbart? Aber er lässt sich überzeugen, als der andere eine Pistole mit Schalldämpfer zückt und zum Schießen bereit ist.
Bitte kein Blut auf Mutters Sofa
Bernhard ist einverstanden, bloß bitte nicht vor dem Sofa, das soll nicht schmutzig werden, es ist ein Geschenk seiner Mutter. Ob er vielleicht einen letzten Wunsch hat, fragt der Tod. „Eine kugelsichere Weste“, antwortet er. Die beiden lachen und schreien sich an, der eine liebt Musik, der andere nicht, der eine putzt gern, der andere greift lieber zum Wodka. Der eine will sterben, der andere muss töten, doch jetzt wollen sie erst mal nichts überstürzen.
Stadelmann und Schrott amüsieren als famose Klamaukbrüder, die selbst den mitunter etwas zähen Humor des Stücks in Schwung bringen können. Eine Viertelstunde vor Schluss kommt noch eine Frau ins Spiel, die eine Etage höher wohnt und den Gashahn aufgedreht hat. Julia Jäger als diese Clara gerät plötzlich ebenfalls in eine Zwickmühle zwischen Leben und Tod, hat allerdings nicht mehr viel Gelegenheit für einen wirklichen Umschwung, weil die Uhr läuft.
Wartet nicht zu lange mit euren Plänen, Hoffnungen, Schwärmereien, gibt dieser heitere Abend dem Publikum mit auf den Nachhauseweg, denn wenn es zu spät ist, tut es euch leid. Sagen wir so: Es sind schon schlechtere Botschaften im Theater verkündet worden.


