Das Publikum hat sich schon gut mit Bier-Bechern – man möchte fast sagen Bier-Eimern – eingedeckt. Wahlweise halber Liter oder Liter. Die Liter-Version erinnert an absurd große und daher extratolle Popcorn-Eimer. So als wäre man im Kino. Und gewissermaßen ist man das bei Moderat ja auch: Viele ihrer Tracks sind Kino-Soundtrack-Mucke. Millionen Menschen kennen sie aus Hollywood-Blockbustern (etwa dem Sci-Fi-Thriller „Auslöschung“ mit Natalie Portman), dem Arthouse-Kino (etwa Xavier Dolans Transgender-Drama „Laurence Anyways“) oder Sebastian Schippers experimentellem Berlin-Krimi „Victoria“. Und ebenso schwer wie das Ausbalancieren eines übertrieben vollen Popcorn-Bechers geht es einem auch mit einem solchen Bier-Eimer beim Moderat-Konzert auf den gefühlt Hunderten Treppenstufen hinab in die Arena. Zumal das Ordnungspersonal seinen Job sehr ernst nimmt: „Bloß nicht stehenbleiben auf den Treppenstufen, sondern weiter runter!“ Na gut.
Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, dass Moderat zuletzt zu Hause in Berlin spielten. Am 2. September 2017 war das. Auch in der Wuhlheide damals und auch vor 17.000 Menschen. Ein kleiner Déjà-vu-Moment also für einige, die damals schon dabei waren und nun wiedergekommen sind, um Moderat zu hören, ach was, zu erleben, an diesem lauschigen Spätsommersamstagabend, dem 3. September 2022. Es ist 21 Uhr und schon dunkel hier in der Parkbühne Wuhlheide, die von einem Wald umringt wird. Wie vor fünf Jahren schon eröffnen Moderat ihre Show mit einer zart Spannung aufbauenden Synthie-Intro-Träumerei. Doch dann folgt der neue Song „Doom Hype“ vom vierten, aktuellen Album „More D4ta“. „Narrow line that parts our ways“, haucht der Sänger Sascha Ring in die Nacht, als wollte er einen Wolkenluftballon aufpusten. Und sein „If you could, you would do it all again“ hat dann etwas von einem Werwolf, der diesen Wolkenluftballon anheult.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Sascha Ring, Triumvirat-flankiert von Gernot Bronsert und Sebastian Szary an den Synthesizern, macht das ganz ausgezeichnet. Seine Intonation hat viel von der Artrock-Band Radiohead und deren Sänger Thom Yorke. Wobei Moderat immer wieder, auch in dieser Spätsommernacht in der Wuhlheide, gekonnt vom Radiohead- in den Rave-Modus umschalten. Dann hämmern die Bässe so sehr, dass selbst die Dixi-Klos in der Wuhlheide mitwummern; am besten zu erleben, wenn man drin steht, wobei man dann das spektakuläre Bühnenshow-Gewitter verpassen würde. Etwa beim Festivalkracher „Neon Rats“. Wie kaum eine andere Band kann Moderat eben beides: zart und hart.
Moderat sind eine der größten Ossi-Bands der Welt
Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die beiden gebürtigen Brandenburger Sebastian Szary und Gernot Bronsert schon vor der Moderat-Gründung vor 20 Jahren unter dem Namen Modeselektor harte Kellerbeats bauten – während der in Sachsen-Anhalt geborene Sascha Ring alias Apparat eine Affinität für sphärischen Ambient hatte und hat, für den er inzwischen gar einen Grammy gewann. Modeselektor + Apparat = Moderat. Mit Rammstein und Tokio Hotel gehören Moderat zu den größten Ossi-Bands der Welt. Wie das Berghain stehen sie weltweit für die technoide Sound-DNA unserer Stadt, wo sie inzwischen alle leben.

