New Music Friday

Neue Platten fürs Wochenende: Yungblud, SOHN, Unloved

Klassenclown Yungblud macht den Rock ’n’ Roll klar für die Generation Z. Unloved haben Jarvis Cocker eingeladen. Und SOHN stellt das Klangkettenkarussell aus.

Kennt kein ruhig Blut: der britische Musiker Yungblud.
Kennt kein ruhig Blut: der britische Musiker Yungblud.Tom Pallant/Universal Music

Yungblud: „Yungblud“ (Locomotion/Geffen/Universal)

„Tanz auf meinem Grab“ (1982) heißt der schwule Kultjugendroman von Aidan Chambers, den François Ozon 2020 frei unter dem Titel „Sommer 85“ in Szene gesetzt hat. Tanz auf meinem Grab! Aber was ist, wenn dann Beerdigung ist und niemand kommt außer einem selbst – um zu tanzen? Zum Beispiel weil man überall angeeckt ist mit seinen Unsicherheiten, Ängsten und anderen Verhaltensauffälligkeiten? Dominic Richard Harrison alias Yungblud spielt die Psychohorrorfantasie durch in der Opening-Single „The Funeral“ seines nunmehr dritten und diesmal selbstbetitelten Albums. Ein etwas anderes, emo-rock’n’rolligeres „Dancing On My Own“ als das von Robyn.

Der 25-jährige Superqueero und Klartext-Klassenclown mit Autoritätsproblem, der gern im Moshpit die Regenbogenflagge schwingt und seinen Gitarristen knutscht, wird inzwischen von Rock-Heroen wie Mick Jagger und Brian Molko hofiert, da sie merken, dass es genau dieser Yungblud ist, der den Rock ’n’ Roll klarmacht für die Generation Z. Waren seine ersten beiden Platten noch stark sound-eklektizistisch (vor allem mit vielen HipHop-Verweisen auf Cypress Hill und Beastie Boys), ist der Drittling nun klarer bei einer Soft-Sound-Reinterpretation von Linkin Park und anderen, klanglich in jedem Fall bei den späten 90ern und der Jahrtausendwende verorteten Acts – also in etwa der Zeit, als Yungblud noch ein mehr oder weniger zahmes Yungbaby war. Klanglich innovativ ist das nicht besonders – aber trotzdem braucht es einen wie Yungblud, der mit seinem Herz auf die Kacke haut. Und so furios wie er macht das zurzeit nur er!


Unloved: „The Pink Album“ (Heavenly/Pias)

Größenwahnsinniger geht’s kaum: Allein mit dem Titel „The Pink Album“ lässt das kalifornische Bandprojekt Unloved freilich Beatles-Assoziationen aufkommen, gemahnend ans Beatles-Meisterwerk „The White Album“ von 1968. Und dann wiegt die Doppelplatte von Unloved auch noch 22 Tracks schwer. Oha! Aber tatsächlich buddeln Unloved tief im Psych-Pop-Mutterboden der Sixties. Und weil ein Drittel des Trios Unloved der etablierte irische DJ Holmes ist (der in den 1990ern maßgeblich dabei mithalf, TripHop weiterzuspinnen), springen prominente Gäste bei, für dieses dritte Album von Unloved: Jarvis Cocker (Pulp) und Étienne Daho etwa. Insgesamt groovt sich „The Pink Album“ gut zwischen Portishead und Beach House ein, aber gepimpt mit der luftigen Frische der Downtempo-Ambient-Popper von Air. Sicher ein guter Soundtrack fürs Kiffen am Pazifikstrand von Kalifornien. Oder wenn man sich von Berlin aus dorthin träumen will.


SOHN: „Trust“ (4AD/Beggars)

Was war das für ein fulminantes Synthie-Wirbeln auf SOHNs Debüt-Album „Tremors“ 2014! Man fühlte sich wie im Klangkettenkarussell, und es hat Spaß gemacht, selbst wenn die Tristesse-und-Trauma-Texte einem den Boden unter den Füßen wegrissen. Inmitten dieses Post-Dubstep-Wirbels stand Christopher Taylor alias SOHN, mit seiner wendigen Kopfstimme, die immer eine Herzensangelegenheit ist. Dieses Karussell hat der SOHN inzwischen stillgelegt – schon auf dem zweiten Album „Rennen“, und es kommt auch auf dem dritten Album „Trust“ nicht mehr in Schwung.

Der verlorene SOHN distanzierte sich in Interviews von seinen frühen opulenten hundert Schichten Synthesizern, hinter denen er sich nur versteckt habe. Den nunmehr reduzierten, mitunter 08/15-balladesken Sound mag SOHN selbst als aufrichtiger empfinden; doch leider ist er auch viel unspektakulärer, austauschbarer geworden. Das Beste am neuen SOHN-Album ist eigentlich der Reminder, sich mal wieder das Debüt auf den Plattenteller zu packen. Und diese Erinnerung ist nicht nichts.