Nie zuvor klang Lana Del Rey so luftig, dunstig und dabei doch labyrinthisch, wie auf ihrer neunten Langspielplatte mit dem verwegenen Titel „Did You Know That There’s a Tunnel Under Ocean Blvd“. Schon die (inszenierte?) A-cappella-Gospel-Folk-Chorprobe im Opener gibt die Stimmung vor: Die Platte wirkt im besten Sinne spontan, oft so, als würde Lana Del Rey völlig losgelöst von popprägnanten Strophen-Bridge-Refrain-Strukturen in einem Open-Mic-Keller losjammen und losjammern; nur ist halt zufällig ein Kammerorchester dabei, manchmal.
Es ist eine Entwicklung weg von den großartigen, aber doch auch sehr mühevoll polierten Vorzeigeballaden aus dem gefeierten „Norman Fucking Rockwell!“ (2019). Ein Weg, den Lana Del Rey schon auf „Blue Banisters“ (2021) vorzeichnete – und den sie nun konsequent weitergeht. Aber doch mit Unerhörtem.
Lana Del Rey, die Americana-Collagen-Künstlerin, vor der schon seit Langem kein Song, keine Referenz links oder rechts des Laurel Canyons sicher ist, zitiert so exzessiv wie nie ihr eigenes Material: Lana Del Rey „remixt“ ihr eigenes Material auf eine Weise, die man bislang nicht von ihr kannte. Das ist auch eine Abkehr vom zur Schau gestellten Amerika-Patriotismus hin zu einer familiäreren Innenschau: Sie singt über ihre Familie statt über ihr Heimatland. Schon das Eröffnungslied „The Grants“ verweist auf ihren Familiennamen: Grant.
„A&W“ führt die Sounds aller Lana-Schaffensphasen zusammen. Somit ist auch der Boombap der frühen „Born To Die“-Pop-Jahre wieder da, aber diesmal psychedelisch verwoben mit der reiferen Joni-Mitchell-Lana. Das finale „Taco Truck x VB“ bedient sich schamlos an ihrer eigenen „Venice Bitch“ von 2019. Lana ist nicht mehr sicher vor Lana. Im Grunde ist es formal-musikalisch die Message, die sich in ihren Texten seit jeher ausdrückte: das Manifest einer Frau, die ihre „Schwächen“ (Drogen, harte Männer, feiner Glamour, Depressionen) zelebriert wie keine zweite zurzeit.


