Konzertkritik

Jurassic Jazz: Hollywoodstar Jeff Goldblum und sein Mildred Snitzer Orchestra in Berlin

Glamouröse Late-Night-Show mit Quiz und vielen Jazz-Standards: Hollywoodstar Jeff Goldblum („Jurassic Park“) gastierte leger mit Band im Großen Sendesaal des RBB.

Jeff Goldblum, hier beim Konzert in Pasadena
Jeff Goldblum, hier beim Konzert in PasadenaChris Pizzello/Invision/AP/dpa

Wer sich am windig-kalten Montagabend darauf verlassen hat, dass Konzerte niemals pünktlich anfangen und man kurz vor knapp zum Großen Sendesaal des RBB pilgern könne, der liegt leider daneben: Schon zehn Minuten vor offiziellem Konzertbeginn stakst der Star des Abends leger auf die Bühne. Jeff Goldblum, gemeinhin bekannt als cooler Chaostherie-Doktor mit Rockstar-Brille aus dem Dino-Blockbuster „Jurassic Park“, ist in seiner Teilzeitrolle als Pianist gekommen, um dem Jazz zu frönen.

Schon vor den ersten gespielten Noten ist allerdings klar, dass es nicht ausschließlich ein Konzertabend werden wird: Goldblum, der schon als Kind mit dem Klavierspiel anfing und als Teenager erste Gigs in Pittsburgher Cocktailbars hatte, ist sich wohl bewusst, dass er die prominente Location und die stattlichen Ticketpreise von 70 bis 95 Euro nicht ausschließlich seinen Tastenkünsten zu verdanken hat.

Goldblum spielt offensiv und souverän damit: Während er Anekdoten aus seiner Schauspielkarriere zum Besten gibt und sich an die Dreharbeiten zu Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“ im sächsischen Görlitz erinnert, trudeln immer noch Gäste ein. Einige begrüßt Goldblum persönlich mit charmantem Lächeln und sonorer Stimme in der Manier eines humorvoll-nahbaren Talkmasters.

Als man nach einer knappen Viertelstunde langsam das Gefühl bekommt, in einer ausgelassenen Late-Night-Show zu sitzen, steigt das Mildred Snitzer Orchestra auf die Bühne. Die Formation umfasst neben Goldblum am Flügel zwei Saxofone, Kontrabass, Gitarre, Hammond-Orgel und natürlich Drums; an denen mit dem ältesten Bandmitglied Kenny Elliott einer sitzt, der schon für Ikonen wie Ray Charles, Stevie Wonder, Ella Fitzgerald und Aretha Franklin getrommelt hat – und am Montagabend eine charismatische Ruhe ausstrahlt.

Das Level der Band ist hoch, das merkt man schon bei ihrer ersten Nummer. Es ist die klassische Jazz-Formel, die Goldblum und seine Mitmusiker zum Besten geben. Sie spielen Standards, Klassiker der Jazzgeschichte, die auch häufig auf Jamsessions gespielt werden. Nachdem die Bläser die Melodie vorgelegt haben, spielen fast alle Bandmitglieder reihum ihre Soli. Die ersten Stücke kommen noch sehr konventionell daher, aber wohldosiert, was die Lautstärke angeht und mit einem feinen Gespür für Dynamik.

Angesichts seiner Redseligkeit zwischen den Songs ist es fast verblüffend, wie sich Goldblum am Klavier zurückhält: Die harmonischen Flächen der Stücke spielen vor allem Joe Bagg an der Orgel und John Storie an der Gitarre, wohingegen sich der Hollywoodstar soundtechnisch nur richtig durchsetzt, wenn er sich in die höheren Lagen hochtastet.

Doch Goldblum ist nicht etwa überfordert: In den Soli der anderen hört er genau zu (was in seinem Gesicht zum Teil zu mimischen Verrenkungen à la Mr. Bean führt) und findet dann genau die richtigen Zeitpunkte, um Akzente mit der rechten Hand auf den gut hörbaren, hohen Tasten zu setzen. Er spreizt den rechten Arm so von der Klaviatur weg, als spiele er auf heißen Kohlen.

Jeff Goldblum frühstückt mit Tiffany im Großen Sendesaal des RBB

Mit diesem Rezept spielt sich das Septett durch Stücke aus verschiedenen Dekaden des 20. Jahrhunderts. Nach dem Bossa nova „Waters of March“ kommt die Sängerin Matille Brown auf die Bühne und singt „My Baby Just Cares For Me“, gefolgt von „Moon River“ aus dem Filmklassiker „Frühstück bei Tiffany“ mit Audrey Hepburn.

Das Set nimmt Rücksicht auf jene, die nicht die ausgefallenste Jazz-Affinität mitgebracht haben, ohne die Musikalität aus den Augen zu verlieren. Am meisten kommen hier aber unbestritten alle auf ihre Kosten, die vor allem Jeff Goldblum erleben wollen. Und das ist offensichtlich die Mehrheit. Die Stimmung ist ausgelassen, als der 70-Jährige nach jeweils zwei bis drei Songs einen Entertainer-Block mit Quiz-Fragen ans Publikum einschiebt. 

Die letzte Show-Einlage wird dann vom musikalischen Finale abgelöst: Nun lehnt sich die Band auf bluesigen Hardbop-Stücken aus den 60er-Jahren weiter aus dem Fenster als zuvor. Scott Gilman lässt im Höhepunkt seines Solos über Hank Mobleys „Baptiste Beat“ das Tenor-Saxofon ein bisschen so würgen und kreischen, wie man es von Kamasi Washington kennt, und das Ensemble zieht bis zum letzten Stück noch einmal das Tempo an.

Danach lässt sich Goldblum zwar mit Standing Ovations noch einmal zu einer Ehrenrunde überzeugen, leider aber nicht zu einer musikalischen Zugabe. Alles in allem geht das Konzept aus Jazz-Konzert und Meet-and-Greet-Atmosphäre gut auf und entlässt das Publikum nach anderthalb Stunden sichtlich zufrieden in die kalte Montagnacht. Ob man für ein solides Jazz-Konzert den Hollywood-Aufpreis zahlen will, muss natürlich jeder selbst wissen.