Wassoulou-Musik

Haus der Kulturen der Welt: Grammy-Preisträgerin Sangaré sang für Frauen und Frieden

Beyoncé und Alicia Keys zählen zu den Fans von Oumou Sangaré. Am Samstag sang Sangaré bei der HKW-Wiedereröffnung. Ein fulminanter Start fürs neue HKW-Musikprogramm.

Oumou Sangaré mit ihrer Band auf der HKW-Terrasse
Oumou Sangaré mit ihrer Band auf der HKW-TerrasseMarkus Wächter/Berliner Zeitung

Wer am Freitagabend beim großen HKW-Revival bis nach Mitternacht blieb, weiß schon, dass Edna Martinez auch mit Leidenschaft auflegt: Edna Martinez, die neue Kuratorin für Musik- und Klangpraktiken am Haus der Kulturen der Welt, ist Radioproduzentin, Künstlerin und DJ. In der Nacht von Freitag auf Samstag spielte sie in der „Weltwirtschaft“, dem Restaurant des HKW mit gigantischer Discokugel, ein elektrisierendes DJ-Set samt karibischen und afrikanischen Polyrhythmen.

Besonders verbunden ist Edna Martinez der Kultur des Picó Sound System aus der kolumbianischen Karibik, wo sie aufwuchs. Aber sie begeistert sich auch für arabische Melodien und Jazz-Bässe. Man darf also gespannt sein, was sie uns als neue HKW-Musikkuratorin in den kommenden Jahren für ein Programm präsentieren wird; wo die Schwerpunkte liegen werden und wie sie verknüpft sein werden mit den anderen Programminhalten des Hauses.

Eines weiß man schon: Anstelle des von ihrem Vorgänger Detlef Diederichsen kuratierten Wassermusik-Festivals gibt es nun mit Edna Martinez ein neues Programm, das uns den Sommer über auf dem HKW-Dach und auch im Innern des Hauses begleiten wird: Sonic Pluriverse Festival heißt die neue Reihe, die dieses Jahr bis zum 9. September Woche für Woche allerhand Konzerte, DJ-Sets, Listening Sessions, Workshops und Vorträge beinhalten wird; lose geklammert unter dem Motto „Congorama“, das sich auf drei verschiedene Orte der Welt namens Kongo beziehungsweise Congo bezieht.

Oumou Sangaré am Haus der Kulturen der Welt: Predigerin der Liebe

Und gleich für den Wiedereröffnungssamstag am HKW ist Edna Martinez ein großer Coup gelungen: Sie hat die malische Grammy-Preisträgerin Oumou Sangaré, 55, für ein Konzert gewinnen können. Die Frau, zu deren Fans auch Beyoncé, Jay-Z und Alicia Keys zählen. Die Grande Dame der westafrikanischen Wassoulou-Musik, die übrigens gleich nach der Wiedervereinigung für einen Festakt im Deutschen Bundestag performt hat.

Die Dachterrasse am Samstagabend um halb neun ist ganz schön voll. Nicht wegen der Caipirinha- und Mojito-Maschine oder wegen des spektakulärsten Sonnenuntergangs der Stadt, sondern weil alle Oumou Sangaré erleben wollen: Eltern mit Kindern auf den Schultern (die vielleicht noch von der Kinderdisco am Nachmittag geblieben sind), aber auch viele Menschen im Studierendenalter mit hippen Klamotten. Man kann sich leicht vorstellen, dass sie Kunstgeschichte oder etwas ähnlich Cooles studieren.

Anmoderiert von Edna Martinez, steigt Oumou Sangaré zur besten Sonnenuntergangszeit mit ihrer siebenköpfigen Band auf die Dachterrassen-Bühne: Keyboards, Bass, Gitarre, Schlagwerk, Langhalslaute und zwei Background-Sängerinnen; die zudem als Tänzerinnen fungieren. Als die Sangaré, die Wüstenblues-Queen in ihrem weißen Kleid auf der Bühne steht und mit den Armen ausladende Gesten formt, ist man geneigt, sie eine Diva zu nennen. Andererseits strahlt sie schnell so eine Nahbarkeit und Herzensgüte aus, etwa wenn sie ihre Songs „à toutes les femmes“, allen Frauen widmet. Oder auch dem Frieden und der Liebe. Make Love, Not War auf Malisch sozusagen. Wobei Sangarés Texte, die sich für die Rechte der Frauen und gegen Vielehe aussprechen, in einem muslimisch geprägten Land wie Mali durchaus Sprengkraft haben.

Ja, wenn Sangaré so auf dem Blues-Schema singt, mit ihrer markanten Altstimme, die sich immer wieder zu überraschenden Höhen aufschwingt, in einer mitreißenden Mixtur aus Sprechgesang und fast schon meditativem Ruhen auf Tönen, stets im Call-and-Response mit ihren beiden Background-Sängerinnen, wirkt sie rasch wie eine Predigerin der Liebe. Das untermauern ihre französisch-englisch-deutschen Ansagen ans Publikum: „Die Frauen sind der Ursprung der Welt“, „Ich bevorzuge Frieden, nicht Krieg“. Und wenn sie dann über Timbuktu singt, die malische Stadt im Norden, lässt Sangaré, die aus dem Süden Malis stammt, uns wissen: Norden, Süden, all das kann harmonisch miteinander existieren. Das passt natürlich gut zum HKW-Programm. Sangaré erinnert daran, dass ihre Karriere einst in Deutschland begann, als sie hier, gerade 16 Jahre jung, auf Tour ging.

Während Sangarés anderthalbstündigem Auftritt, bei dem auch die Keyboard-Orgel mysteriös funkelnd und die Gitarre mal so richtig knurrend ausrasten dürfen, werden die Bühnenlichter immer effektvoller. Die Sonne ist inzwischen untergegangen, irgendwo hinter der Spree. So um zehn muss Oumour Sangaré leider zum Ende kommen, unter tosendem Applaus. Wahrscheinlich rufen sonst die Anwohner bei der Polizei an, wegen „nächtlicher Ruhestörung“. Wobei man sich fragen könnte, wer hier rund ums HKW die Anwohner sind, zwischen Spree und Tiergarten. Herr Scholz im Kanzleramt nebenan? Wäre der wirklich so ein Spaßverderber?

Immerhin geht’s in der „Weltwirtschaft“ munter weiter. So, dass man es kaum noch als Restaurant, sondern als Diskurs-Diskothek bezeichnen könnte: Ab 22 Uhr spielen Katerinha & Njeri ihr DJ-Set. Sie aus Mazedonien, er aus Kenia, haben sie in Berlin ihr DJ-Duo gegründet. Ihr Set kennt keine Scheuklappen: alles drin von R&B, über Jazz und Afro-House und Garage und Breakbeats. Gegen Mitternacht übernimmt dann MSJY an den Turntables: Drum and Bass, TripHop und IDM. Der Kanzler wurde nicht gesichtet, aber kann ja noch kommen in den nächsten drei Festival-Monaten „Congorama“-Sonic-Pluriverse.