Kolumne

Pennst du noch, oder liest du schon? Welche News wirklich einen Klick wert sind

Die Deutschen meiden Nachrichten. Warum eigentlich? Unsere Kolumnistin hat eine Idee, wie sich das ändern ließe.

Mehr als jeder Zweite meidet Nachrichten.
Mehr als jeder Zweite meidet Nachrichten.dpa

Wir Deutschen sind nachrichtenmüde, jedenfalls im Internet. Das sagt eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Medienforschung in Hamburg. Seit Jahren misst das Institut Trends der Nachrichtennutzung in Deutschland. Laut aktueller Studie interessieren sich nur 52 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden für Nachrichten. Im Jahr 2022 waren es noch 57 Prozent, 10 Prozent weniger als im Jahr davor. Deshalb hieß es schon 2022: „Deutsche sind nachrichtenmüde“. 2023 wurde daraus: „Nachrichtenmüdigkeit nimmt weiter zu“. Ein Spannungsbogen – 2024 könnte die Schlagzeile lauten: „Nachrichtenmüdigkeit auf Höchstniveau“. Darunter machen wir es nicht, wir schläfrigen Deutschen.

Das Leibniz-Institut folgt einem scheinbaren Abwärtstrend: Egal ob Reichweite, Nutzung oder Vertrauen, die Nachrichten gehen den Bach runter. Das Fazit der Studie ist deshalb klar: „Das Interesse an Nachrichten ist 2023 weiter gesunken.“ Die Gründe dafür liegen scheinbar bei uns, den Konsument:innen. Denn die Studie untersucht das Verhalten von Menschen, nicht den Inhalt der Nachrichten.

Im Mittelpunkt steht deshalb unser vermeintliches Desinteresse. So titelte der Tagesspiegel: „Jeder Zehnte versucht aktiv, Nachrichten zu vermeiden“. Vor allem junge Menschen scheinen aktiv damit beschäftigt, sich nicht zu interessieren. Ein Vollzeitjob. Auf Teilzeitbasis versuchen das 65 Prozent aller Deutschen – von denen vermeidet ein Drittel gezielt bestimmte Themen. Ganz oben auf der Liste: der Ukraine-Krieg, gefolgt von Promi-News und Sport. Gute Vermeidungsthemen, könnte man meinen: Die Nachrichten zum Ukraine-Krieg lassen mehr als zu wünschen übrig; für Promi-Klatsch ist das Leben zu kurz; und nur eingefleischte Sportfans sind immun gegen die mediale Kommerzialisierung des Profisports. Vielleicht liegt der Fehler ja weniger bei nachrichtenmüden Konsument:innen als bei nachrichtenarmen Inhalten?

Laut Studie kommen als Vermeidungsfaktoren aber auch Informationsüberflutung, ein Schlechte-Laune-Faktor und Themenmüdigkeit dazu. Das macht Sinn, vor allem deshalb, weil digitale Nachrichten der Marktlogik des Internets folgen. Frei nach dem Motto: höher, schneller, weiter für noch mehr Klicks mit noch weniger Inhalt. Denn in der Welt digitaler News zählen vor allem Klicks – die messen den Scheinwert der Nachrichten: Wer konsumiert wie oft und wann. Algorithmen regeln dann den Rest. Sie pushen Reißer-Schlagzeilen über Krieg, Sex und Katastrophen, Skandal-Promis und skandalöse Politik. Diese werbegetriebene Informationsflut gibt es – dem Internet sei Dank – immer und überall. Am Ende resigniert der Kopf, denn die Evolution hängt der digitalen Reizüberflutung hinterher. Deshalb schwören Selbsthilfe-Gurus auf aktive Vermeidungsstrategien – wie den regelmäßigen Nachrichtenverzicht. Ach, siehe da!

Stimmt es also wirklich, dass wir uns weniger interessieren? Vielleicht sinkt ja nicht unser Interesse an Nachrichten, sondern an dem, was uns oft als solche geboten werden – Infohäppchen, zubereitet für Klicks, mit mehr Drama als Hintergrund. Wie wäre es denn mit mehr Nachrichten über Menschen, die Leben gestalten und sich engagieren? Keine Kuschel-News, sondern Recherche-Infos mit Relevanz? So könnte der Slogan 2024 lauten: „Schläfst Du noch, oder liest Du schon?“. Vielleicht ist der ja einen Klick wert.