Frankfurter Buchmesse

Preise steigen, Leser schwinden, Papier ist knapp: die Buchmesse in Krisenzeiten

Immerhin 4000 Aussteller haben sich zur Frankfurter Buchmesse angesagt, etwa halb so viele wie vor Corona. Die Branche hat eine Menge Sorgen.

So leer sah die Messehalle 3.1 zur Corona-reduzierten Frankfurter Buchmesse 2021 aus.
So leer sah die Messehalle 3.1 zur Corona-reduzierten Frankfurter Buchmesse 2021 aus.dpa

Ein Blick ins Archiv zeigt die Fallhöhe, er deutet auf den Zeitenwechsel, der einen neuen Blick fordert. Am 20. Oktober 2019 hieß es zum Abschluss der 71. Frankfurter Buchmesse mit ihren 7500 Ausstellern: „Die Branche zeigte sich optimistisch und in Feierlaune: Noch nie gab es so viele Veranstaltungen, Diskussionen, Partys, Begegnungen und Austausch über die sozialen Medien.“

Wenn am Dienstagabend die diesjährige Ausgabe eröffnet wird, dann geht das nur mit Optimismus. So wie die Gefahr von Covid-19-Infektionen noch nicht aus der Welt ist, ist für die Messe die Corona-Delle auch nicht überwunden. 2020 wurde sie komplett digital abgehalten, 2021 verteilten sich etwas mehr als 2000 Aussteller in halbleeren Hallen. Jetzt werden es immerhin 4000.

Selenskyj meldet sich per Video

Und obwohl einige Verlage wieder Messe-Empfänge veranstalten und das Literaturhaus für eine Party öffnet, wird die Feierlaune gedämpft sein. Russlands Krieg gegen die Ukraine gehört zu den bestimmenden politischen Themen; etliche Autoren aus der Ukraine sind zu Gast, Wolodymyr Selenskyj wird zur Versammlung des Europäischen Verlagsverbands zugeschaltet. Der russische Nationalstand ist von der Buchmesse ausgeschlossen.

Die Buchmesse vor Ort abzuhalten, ist der Branche so wichtig, weil die Begegnungen nicht nur dem Ideenaustausch dienen, sondern letztlich wirtschaftlichen Zwecken. Das Kulturgut Buch herzustellen, wird eine immer teurere und unberechenbarere Angelegenheit. Der schwankende Energiemarkt beschäftigt diese wie andere Branchen auch. Hinzu kommt ein Mangel an Papier, was auf eine Verkettung von Umständen zurückgeht, die mit dem Rohstoffmarkt und der Corona-Krise zusammenhängen. Die Reaktion von Verlagen, Papier zu horten, hat das nicht vereinfacht. Aber dass die Produktion mancher Bücher verschoben werden musste, weil etwa die Pappen für die Buchdeckel nicht zu beschaffen waren, oder Bestseller nicht nachgedruckt werden konnten, hat am Ende seine Auswirkungen an der sensibelsten Stelle: im Handel.

Dort muss um das scheue Wesen Buchkäufer gerungen werden. Deren Zahl geht seit Jahren zurück. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zählte 2021 in Deutschland etwa 27 Millionen Käufer von Büchern. Zehn Millionen weniger als 2011. Nur die anhaltende Leidenschaft der Vielkäufer und höhere Preise ließen das am Gesamtumsatz nicht so auffällig werden. In den Corona-Jahren erlebte das Buchwesen keine so deutlichen Einbußen wie die anderen Kulturbereiche, aber auch keinen Aufschwung: Ausgefallene Kino-, Konzert- und Theaterabende haben offenbar nur wenige Leute durch Leseabende ersetzt. Übrigens werden längst auch weniger Bücher produziert, vor allem im Taschenbuch, was durch E-Books wettgemacht wird, und in einigen Ratgebersegmenten, wo die Information aktueller im Internet zu bekommen ist.

Allein die Ausgaben der jüngsten und ältesten Buchkäufer nahmen deutlich zu, die 40- bis 59-Jährigen haben 2021 im Vergleich zu 2019 weniger Geld für Bücher investiert. Da wirkt es schon kühn, wenn Verleger in der Branchenpresse dafür werben, dass die Preise für Bücher weitersteigen. Aber was sollen sie auch sonst sagen? Sie leiden unter den gestiegenen Kosten. Könnte auch hier der Staat helfen? Bücher haben den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Null Prozent würden laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Vorgaben der Europäischen Union nicht widersprechen.

Ein Verhaltenskodex soll helfen

Noch nie gab es so viele Diskussionen, hieß es zur letzten Vor-Corona-Buchmesse. Im vergangenen Jahr gab es vielleicht weniger Debatten, aber ein Thema zog sich heftig durch die Tage und prägte sogar die Verleihung des Friedenspreises mit: Die Anwesenheit von Verlagen, die rechtsradikale Schriften publizieren. Eine Autorin erhielt Drohungen von solch einem Unternehmen und sagte ihren Besuch ab, andere schlossen sich solidarisch an. Die Messeleitung war in Erklärungsnot. Ausgeschlossen sind solche Verlage auch in diesem Jahr nicht, weil die Messe solche Verbote nicht aussprechen kann. Neu ist ein „Code of Conduct“, der jedwede Belästigung unterbinden soll. Zu dessen Kontrolle wurde ein Team des Bundes für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit engagiert.

Als der PEN Berlin kürzlich sein Programm für die Buchmesse mit Gesprächen zum Iran, zu Literatur und Krieg und der Klimakatastrophe verschickte, stand in der Betreffzeile „Vielleicht nicht so schlecht“. Ein gutes Motto. Die Buchbranche ist mit Problemen eingedeckt, aber sich wieder zu treffen und darüber zu beraten, ist vielleicht nicht so schlecht.