Bücherfrage der Woche

Jenny Erpenbeck, welche Bedeutung hat Uwe Johnson für Ihr Schreiben?

Der Berliner Schriftstellerin Jenny Erpenbeck wird am Freitag der Uwe-Johnson-Preis verliehen. Wir haben ihr vorab die Bücherfrage gestellt.

Jenny Erpenbeck
Jenny Erpenbeckdpa/Markus Scholz

Am Freitag wird die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck mit dem Uwe-Johnson-Preis ausgezeichnet. Geehrt wird sie insbesondere für ihren jüngsten Roman „Kairos“, in dem sie das Beginnen und Scheitern einer Liebe mit dem Umbruch und dem Ende der DDR zusammenbringt. Die Bücherfrage der Woche geht an die Preisträgerin: Jenny Erpenbeck, welche Bedeutung haben die Bücher Uwe Johnsons für Ihr Schreiben?

Jenny Erpenbeck: Natürlich war ich überrascht und hocherfreut, als ich von dem Preis hörte, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich mich in einem gewissen Sinne erkannt fühlte. Uwe Johnsons Bücher haben einen speziellen Platz bei mir im Regal. Sein großes Thema Erinnerung, das Verflochtensein der Zeiten miteinander und das Schreiben als schichtweises Freilegen von Wahrheiten – das alles beschäftigt auch mich schon lange und ist gerade in meinem Roman „Kairos“ ein großes Thema.

Ich hatte das Glück, ziemlich früh von Johnson zu erfahren. Unser Dramaturgie-Professor im Opernregie-Studium, Hans-Jochen Irmer, hatte mit ihm in Leipzig studiert und empfahl uns die Lektüre. Ich begann mit dem „Dritten Buch über Achim“ und habe dann immer weiter gelesen. Johnson ist besessen von Genauigkeit im Detail, aber mit den großen Fragen lässt er den Leser allein. So, wie er selbst damit allein ist. Dieses Schweigen ist großartig. Und dass er als männlicher Schriftsteller eine alleinerziehende Mutter samt Kind in den Mittelpunkt seines vierbändigen Hauptwerks „Jahrestage“ stellt, ist bis heute eine extrem kühne Sache. Das Rückgrat dieses monumentalen Romans ist der Dialog zwischen dieser Mutter und ihrer zwölfjährigen Tochter, ein ernstes Gespräch zwischen den Generationen.

Ganz wichtig für mich ist auch die „Skizze eines Verunglückten“ über den Umgang eines Mannes mit dem vermeintlichen Verrat der Frau. Da stellt sich die Frage danach, was Wahrheit ist und inwieweit man besser auf die Wirklichkeit schauen sollte als auf die ideologischen Konstrukte. Eine Ehe ist ja auch eine Art Ideologie.

Nicht zuletzt habe ich für eine Szene in meinem Roman „Kairos“ eine konkrete Passage aus Uwe Johnsons „Begleitumstände“ im Hinterkopf gehabt – da erklärt mein Protagonist Hans seiner jungen Geliebten, was Adenauer zur Teilung Deutschlands beigetragen hat. Hans gehört der gleichen Generation an wie Johnson. Und Johnsons Analyse ist ein brillanter, auch heute noch höchst lesenswerter Text.