Pünktlich zur Leipziger Buchmesse bereichern neue Skandal-Schmonzetten die Medienwelt. Vorn dabei: Benjamin von Stuckrad-Barres Roman „Noch wach?“. Der Verlag versprach nichts Geringeres als einen Enthüllungsroman über mediale Machtstrukturen – „literarisch brillant, humorvoll und kompromisslos“.
Scheinbare Vorlage war die Zeit des Autors beim Springer-Verlag. Klingt vielversprechend? Könnte man meinen. Auch Springer-Chef Mathias Döpfner mag das gedacht haben. Es scheint Ironie, aber seine Fremdschäm-Leaks kamen passend zur Buchpremiere. Seitdem tingelt von Stuckrad-Barre durch die Medien, als gäbe es kein Morgen – Interviews, Buchtour, sogar ein Theaterstück soll es geben. Die Karriere des einstigen Döpfner-Günstlings ist Nutznießer der Döpfner-Enthüllungen.
Nun goss das Nachrichtenmagazin Stern weiter Öl ins Medien-Feuer und berichtete über Verbindungen zwischen dem Springer-Chef und Christian Olearius, dem Ex-Aufsichtsratschef der Warburg-Bank. Diese Bank gab Döpfner im Jahr 2006 einen 60-Millionen-Euro-Kredit, mit dem er als Großaktionär bei Springer einstieg. Im Tausch soll die Springer-Presse wohlwollend berichtet haben, als gegen Olearius Anfang 2018 wegen Cum-Ex-Geschäften ermittelt wurde.
„Das soll der Skandal sein?“, titelte damals Bild und sprach noch im Jahr 2020 von der „vermeintlichen Cum-Ex-Affäre“. Immerhin ging es um den größten Steuerraub in der Geschichte der BRD! Wurde daraus nur ein mediales Skandälchen, weil Döpfner Verbindlichkeiten hatte? Diese Möglichkeit schockiert, aber neu ist sie nicht. Ähnlich liegen die Dinge bei „Noch wach?“. Der Roman schwimmt auf der Empörungswelle und deckt auf, was viele eh schon wussten: Korrupt und sexistisch sind die anderen. Wenn es so einfach nur wäre.
Auch das Buch „Wo ist das Geld nur geblieben“ blickt in die Abgründe deutscher Medien. Autor Marco Kirchhof, Ex-Herstellungsleiter des Kinderkanals (Kika), plünderte die Kassen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR). Zwischen 2005 und 2010 veruntreute Kirchhof 4,6 Millionen Euro und verzockte sie beim Spielen. Dafür wanderte er fünf Jahre hinter Gitter und schrieb dann ein Buch. Das räumt auf – mit Kirchhofs Spielsucht, dem ÖRR und den Geschichten, wie Kirchhof sie erinnert.
Ob die im Detail immer stimmen, darf bezweifelt werden – bekanntlich hat jede Geschichte mehr als eine Seite. Aber die Einzelheiten verschwimmen vor dem Hintergrund großer Fragen: Wie war es überhaupt möglich, dass eine Person jahrelang Scheinrechnungen in Millionenhöhe anwies ohne Gegenleistungen? Wer musste wen kennen, damit die Sache nicht aufflog? Kirchhofs Buch zeigt: Persönliche Beziehungen, fehlende Kontrollsysteme und komplizierte Hierarchien können auch den ÖRR zu einem Labyrinth der Macht machen.



