Kolumne

Gedankenwelt von Mathias Döpfner: Sie findet sich auch in „Die Welt“

Unsere Autorin zieht ein Band zwischen Döpfners Ossi-Hetze, dem Springer-Journalismus und der Treuhandausstellung „Schicksal Treuhand – Treuhand Schicksale“. Ein Kommentar.

Mathias Döpfner, wieviel Zeit bleibt ihm noch als Springer-Chef?
Mathias Döpfner, wieviel Zeit bleibt ihm noch als Springer-Chef?imago/stock&people

Wieder macht Springer-Chef Mathias Döpfner Schlagzeilen. Wieder ist der Anlass unrühmlich. Dank der Wochenzeitung Die Zeit steht Döpfners Gedankenwelt der Welt offen – und ich wünschte, sie täte es nicht. „Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig“, meint Döpfner. Seine Mutter habe ihn schon „immer vor den Ossis gewarnt. Von Kaiser Wilhelm zu hitler zu honnecker“, das führe „in direkter Linie zu AFD.“ (Schreibweise aus dem Original übernommen.)

Die Liste der Fremdschäm-Kommentare des Springer-Chefs scheint endlos. Sie zeigt die dunkle Seite der Macht. Ob Ex-Kanzlerin Angela Merkel, Muslim:innen oder Ossis. Döpfners Haltungen sind diskriminierend, abschätzig und peinlich. Besonders neu oder überraschend sind sie aber nicht.

Was will man von einem Konzernchef erwarten, der zeitweise schützend seine Hand über Julian Reichelt hielt? Schon damals meinte Döpfner, der damalige Bild-Chefredakteur sei „wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der sich noch mutig gegen den neuen autoritären DDR Staat auflehnt“.

So zitierte die New York Times (NYT) Döpfner im Jahr 2021 und ließ den Reichelt-Skandal auffliegen. Wenn aber ein Springer-Aktien-Milliardär die DDR-Diktaturkeule schwingt, um die Bettgeschichten seiner Angestellten zu decken, ist das Problem definitiv nicht Reichelt. Es ist Döpfner und das System der Springer-Presse.

Aus dem „Reichelt-Skandal“ wurde dann die „Springer-Affäre“ und Reichelt zu einem Symptom einer Unternehmenskultur, in der gedeckelt wird, was nicht ins Springer-Geschäftsmodell passt. Dieses Modell – das zeigt nun Die Zeit dank interner Dokumente – ist eng mit dem Konzernchef verbunden. Der hält die „Treue unter Männern“ hoch, wirtschaftliches Wachstum und politischen Einfluss aber höher. Für beides helfen ihm die Medien- und Marktmacht des Konzerns.

Die Ossis scheinen wohl nur „SED-Propaganda“ zu können

Für Döpfner ist das Boulevard-Blatt Bild ein Werkzeug, „um Politik zu machen“, belegt Die Zeit. Zwar schockieren hier die Details des Machtkalküls, aber auch diese Erkenntnis ist nicht neu. Seit Jahren kritisieren Beobachter:innen, die Springer-Presse betreibe Informationspolitik. Immer wieder nutzt der Konzern seine Zeitungen für Informationskampagnen, zum Beispiel gegen flüchtende Menschen, gegen Klimaaktivist:innen, aber auch gegen verlegerische Konkurrent:innen.

Mathias Döpfner war bis Herbst 2022 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). 
Mathias Döpfner war bis Herbst 2022 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Marijan Murat/dpa

Nicht nur Bild ist also mediales Mittel zum politischen Zweck. Informationskampagnen finden sich auch in anderen Springer-Zeitungen wie Die Welt. Diese verreißt ganz aktuell die Treuhandausstellung „Schicksal Treuhand – Treuhand Schicksale“.

Im Artikel „Mit Steuergeld verbreitet die Linkspartei-Stiftung Lügen über die Treuhand“ schimpft Geschichts-Redakteur Sven Felix Kellerhoff über die „verfassungswidrige Propaganda“ der Ausstellung. Nun erforsche ich die Treuhand und die Privatisierung der DDR-Presse. Ich kenne die Ausstellung gut. Man könnte meinen, Kellerhoff hätte sie nicht besucht.

Denn die Ausstellung zeigt eine Sammlung ostdeutscher Lebensgeschichten und die Folgen der Treuhandpolitik für die Menschen der Nachwendezeit. Es geht also um Biografien, nicht um den SED-Staat. So aber passt Kellerhoffs Beitrag in Döpfners Kommunisten-Kosmos. Die Ossis scheinen wohl nur „SED-Propaganda“ zu können. „Von Kaiser Wilhelm zu hitler zu honnecker“, wie Döpfner so schön sagte. „Dazwischen tun sie es nicht.“

Linien wie diese zwischen Kellerhoff und Döpfner können wir nun ziehen, dank der Zeit. Deren Initiative, interne Dokumente aus dem Springer-Haus zu veröffentlichen, ist lobenswert. Denn offene Konflikte mit dem Springer-Konzern sind keine kleine Sache – sie sind wohlüberlegte Schritte. Mit der Medien- und Marktmacht des Konzerns ist nicht zu spaßen, denn sie geht über die eigenen Titel hinaus. Der Konzern ist bestens vernetzt, hat große finanzielle Ressourcen und kann mehr als nur den Ruf zerstören.

Für den Reichelt-Skandal brauchte es die New York Times, das Presse-Schwergewicht der USA. Sie wusch die Dreckwäsche des deutschen Journalismus; danach stürzten sich die deutschen Medien wie Hyänen auf den Fall. Nun ist die Zeit der Vorreiter. Es bleibt abzuwarten, wie die deutschen Medien mit diesem schwergewichtigen Fall umgehen.

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