Kühl und feucht ist es unter der künstlich aufgeschütteten Erhebung mitten in Prenzlauer Berg. Oben standen einst die Windmühlen, und unten zieht einem der Ort die Energie ab, wenn man den ganzen Tag darin zubringt. Wir sind im Großen Wasserspeicher, einem Bauwerk aus fünf ringförmig umeinander gelegten Tonnengewölben mit einem Fassungsvermögen von 7000 Kubikmetern, was nur so eine Zahl ist. Volumen und Raum sind viel zu neutrale Worte für dieses von Mauerwerk umschlossene Gebilde; ebenso wenig können Angaben zur Temperatur und Luftfeuchtigkeit vermitteln, wie die Geschichte des Ortes auf den Besucher einwirkt, ihn anblickt, niederdrückt, ihn mit ihrem kalten Moderhauch anatmet.
Schreie und Gestank
Die Ziegel sind Zeugen: In der Wasserturmanlage aus dem 19. Jahrhundert wurde eins der ersten, noch wilden SA-Konzentrationslager eingerichtet, aus dem schon im Frühling 1933 die Schreie der Gefolterten drangen. Nach dem Krieg wurden hier Fische verarbeitet, es stank, der Berg diente als Müllkippe, laut den Gerüchten der hier in den 70ern aufgewachsenen Kinder, darunter das hier schreibende, versteckte sich in dem Gestrüpp ein Mörder; später wummerten illegale Technopartys in den Mauern. Heute wölbt sich eine ansprechend gestaltete Gartenfläche über das steinerne Gedärm, mit Spielplatz, Bänken, Joggingtreppen und begehrten Wohnungen. Und unten gibt es Kunst.

Es braucht nicht viel, um diese giftige Aura ins Schwingen zu bringen. Nika Schmitt, die 1992 in Luxemburg geborene, in Maastricht und Den Haag ausgebildete Künstlerin, stellt einen kleinen Tisch ins Zentrum der Ringe, unter die Wendeltreppe. Auf der Platte sind 16 Magnete angebracht, die sich über einer Spule drehen und Strom erzeugen, der wiederum Impulse an drei ebenfalls drehbare, rohrförmige Lautsprecherobjekte weitergibt.
Die Membrane darin geraten mit mäßig lautem Pluckern in Zuckungen, die an gezähmte Miniaturexplosionen erinnern und als Windchen spürbare Luftdruckwellen abgeben. Der erzeugte Strom fließt durch Kupferkabel, die sich ihrerseits wie Spulen durch alle Ringe des Raumes ziehen und weitere Lautsprecher und Lämpchen aktivieren, sodass das ganze Gebäude als Umwandler arbeitet und nur noch ein bisschen Fantasie aufgebracht werden muss, damit es sich in eine langsame Drehung setzt und immer tiefer ins Erdinnere schraubt.

Die Signale wandern entlang den Spulen durch die fünf Ringe des Raumes, der durch seine Formung als Echokammer mit Nachhallzeiten von bis zu 18 Sekunden fungiert, was mit den Klangeigenschaften von großen Kathedralen vergleichbar ist. Die tieferen Frequenzen sind dabei länger in den Gängen unterwegs, die pulsierenden Klänge überlagern sich mit den Echos und schieben sich mit den Rückkopplungen zusammen, sodass es sich wie das mit leisem Dröhnen gebutterte Blasen von Wind anhört. Klar, dass man auch den Nachhall von Technopartys assoziiert, die hier stattgefunden haben.


