Friedenszeichen

„Widerwärtiges Hasszeichen“: Mit Ölzweigen gegen eine antisemitische Skulptur an einer Kirche

Die Denkmalschutzbehörde ließ die Judensau wieder anbringen. Die Kirchgemeinde des Städtchens Calbe, Sachsen-Anhalt, wehrt sich mit ihren Mitteln dagegen.

Vor wenigen Tagen wurde die antisemitische Schmähfigur wieder an der Nordfassade der Sankt-Stephani-Kirche angebracht.
Vor wenigen Tagen wurde die antisemitische Schmähfigur wieder an der Nordfassade der Sankt-Stephani-Kirche angebracht.Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Seit fünf Jahren, seit Ende der Sanierung der evangelischen St.-Stephani-Kirche des 8000-Einwohner-Städtchens Calbe im sachsen-anhaltinischen Salzlandkreis, ist eine antisemitische Skulptur – Teil eines 14-teiligen Figurenkranzes aus Chimären und Dämonen – Objekt großer Scham. Die Kirchgemeinde distanziert sich von diesem „widerwärtigen Hasszeichen“, es sollte weg. Doch die Denkmalschutzbehörde Staßfurt ließ die Statue einer im 19. Jahrhundert nach antisemitischem Vorbild der spätmittelalterlichen „Judensau“ strikt „historiengetreu“ wieder anbringen: Und so hängt die Gestalt eines Rabbiners, der seinen Mund an den After eines Schweines drückt, seit 2020 wieder gut sichtbar am Pfeiler der 1498 erbauten Kirche.

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„Unerträglich“, so wehren sich Pfarrer, Gemeinde und Landeskirche. Auf der Suche nach einer Lösung für den Umgang mit der Hohnfigur wandten sie sich an einen Bildhauer aus Halle: Thomas Leu überlegte lange. Und erklärte dieser Tage gegenüber MDR Kultur, er werde im Herbst eine „Einfriedung“ schaffen. Mit Ölzweigen aus Edelstahl, welche die Hassgestalt bedecken. Die Idee sei in einer Arbeitsgruppe in Calbe entstanden. „Es geht nicht nur um Abgrenzung, sondern auch um Frieden und Versöhnung.“ Der Ölzweig ist im Juden-, wie im Christentum gleichermaßen Friedenszeichen. Aber Leu betont auch, sein Vorschlag sei kein Allheilmittel für den Umgang mit antisemitischen Schmähplastiken.

Symbolische Lösung: Ölzweige als zeitübergreifende Friedensbotschaft

Im Dilemma steckte vor Jahren auch die Gemeinde der Marienkirche Frankfurt (Oder), als die aus Russland zurückgegebenen Bleiglasfenster aus dem 13. Jahrhundert wieder eingebaut wurden. Man entschied sich gegen die antisemitische „Antichrist“-Szene, zeigt sie aber seit 2009 in einer Kirchen-Nische mit ausführlicher Erklär-Tafel. Das war eine gemeinsame Lösung, einvernehmlich zwischen Kirchgemeinde, Landeskirche, Denkmalbehörde und dem Landesverband der jüdischen Gemeinden Brandenburgs.

Zurück nach Calbe. Man fand eine salomonische Lösung: Ölzweige als zeitübergreifende Friedensbotschaft. Aber auch als jenes zwiespältige Symbol, mit dem Jesu einst auf einer Eselin in Jerusalem eingeritten war, wohl ahnend, dass man ihn in dieser Heiligen Stadt einst ans Kreuz nageln würde.