Architektur

Wie wollen wir wohnen? Architekten bauen mit Kindern Modelle

Türme, Kuppeln, Bäume: das Finale des Workshops MiScha im Mies-van-der-Rohe-Haus in Hohenschönhausen.

Das Haus auf Stelzen entstand beim MiScha-Workshop im Mies-van-der-Rohe-Haus (Haus Lemke) in Berlin-Hohenschönhausen.
Das Haus auf Stelzen entstand beim MiScha-Workshop im Mies-van-der-Rohe-Haus (Haus Lemke) in Berlin-Hohenschönhausen.Thomas Grabka/Mies van der Rohe Haus

Im Garten des Mies-van-der-Rohe-Hauses am Obersee knallen die Knospen. Drinnen im lichten Bungalow Haus Lemke, dem einzigen Privathaus, das der Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe 1932/33 in Berlin gebaut hat, bevor er vor den Nazis nach Amerika floh, sprießen die Ideen. Fünf Häusermodelle, aufgebaut auf großen Pappe-Bögen, erzählen davon, wie Kinder sich ihre künftige Wohnwelt vorstellen.

Es sind meist weiße Terrassenbauten, viel Licht, viel Luft und bis auf die Flachdächer hinauf bewachsen mit Grün. Und vor den Häusern bleibt viel Platz für Spiel und Sport. Eine  Magnetschwebebahn setzt zur Fahrt an, um die Passagiere umweltfreundlich von A nach B zu bringen. Türme wachsen in den Himmel. Einer hat bunte Fenster und eine durchsichtige Kuppel, zum Sternegucken. Der Ausblick ist ein bisschen schief, oben, unter der abnehmbaren Glaskappe, befindet sich eine Winde. Die soll als Lift dienen. Rings um den Turm wachsen Efeu, Bäume, Büsche. Dazwischen steht ein merkwürdiges silbriges Gerät mit lauter Energiestrahlen.

Mit Efeu umrankt: ein „Sternenturm“ als Wohnmodell.
Mit Efeu umrankt: ein „Sternenturm“ als Wohnmodell.Mies-van-der-Rohe-Haus Hohenschönhausen

Der „Sternenturm“ entstand unter Anleitung des Architekten Wolfram Putz vom Büro Graft. Mit ihm zusammen haben Kolleginnen und Kollegen wie Brigitte Hänsch von AHM Architekten, Regine Leibinger von Barkow-Leibinger,  Arne Maibohm vom BBR und Amina Ghisu drei Tage lang einen Workshop abgehalten. 25 Berliner Kinder und Jugendliche im Alter von neun bis sechzehn Jahren, die den Traum haben, später einmal Architekten zu werden, waren gekommen, um unter professioneller Anleitung zu zeichnen, zu schneiden und zusammenzukleben, wie sie sich ihre Behausungen der Zukunft vorstellen. Wolfram Putz sagt, er finde die „Raumlösungen“ der Kinder bemerkenswert. Natürlich ließen die Fachleute der Fantasie der Kinder freien Lauf, setzten nur Akzente, was die Grundstrukturen des Bauens anbelangt. Auch die Berliner Malerin und Designerin Kitty Kahane machte mit, leitete die Kinder beim Zeichnen an. Ihre Bilder im Bauhausbuch „Wer wohnt in weißen Würfeln?“ (Seemann Leipzig) boten Anregung.

Jetzt dürfen die Großen bestaunen, was die Kleinen gebaut haben: Workshop-Finale im Mies-van-der-Rohe-Haus Hohenschönhausen am vergangenen Sonntag.
Jetzt dürfen die Großen bestaunen, was die Kleinen gebaut haben: Workshop-Finale im Mies-van-der-Rohe-Haus Hohenschönhausen am vergangenen Sonntag.Thomas Grabka/Mies-van-der-Rohe-Haus Hohenschönhausen

Die Idee zu diesem „Architekturbüro auf Zeit“ war im kleinen Hohenschönhausener „Mies-Brüderchen“ vom großen Mies-van-der-Rohe-Bau Neue Nationalgalerie gekeimt. Haus-Lemke-Direktorin Wita Noack und Ingolf Kern von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sprachen die Architekturbüros an und bekamen umstandslos Zusagen. Schon letztes Jahr hatten das kommunale Mies-Museum am Obersee, seit 30 Jahren Wallfahrtsort für die internationale Architektenszene, und die Neue Nationalgalerie Kooperationen beschlossen.

Die Kinder und die oben genannten Berliner Baumeister trafen sich zuerst in Mies’ Neuer Nationalgalerie sowie in Scharouns Philharmonie am Kulturforum. Darum bekam der Workshop auch den Namen „MiScha“, für Mies und Scharoun, also für die reizvollen Gegensätze vom rechten Winkel der streng-sachlichen Bauweise und der melodisch schwingenden, organischen Bauform. Die Kinder hörten die Geschichte der Bauten und zeichneten deren Formen. Am Sonntag setzten sie ihre Ideen in Modelle um, mischten lustig die Kontraste der Stile vom Mies und Scharoun und drückten so aus, was für sie Schönheit, Fantasie und zugleich praktikabler Sinn und Zweck bedeuten. Und alle wünschen sich so einen Workshop noch einmal!