Wiedereröffnung

Die „Ostdeutsche Moderne“ am Rostocker Schwanenteich ist komplett saniert

Publikumswochenende in der Kunsthalle der Hansestadt. Vor 55 Jahren war das der einzige Museumsneubau der DDR.

Die als „Ostmoderne“ denkmalgerecht sanierte Kunsthalle Rostock vorn, hinten der Depotbau
Die als „Ostmoderne“ denkmalgerecht sanierte Kunsthalle Rostock vorn, hinten der DepotbauKunsthalle Rostock

Hanseatische Bürgerschaften  gelten traditionell als ausgesprochen kunstnah. Rostock verscherzte sich den guten Ruf beinahe kurz nach der deutschen Einheit. Man stelle sich vor, Hamburg hätte wegen Geldmangels seine berühmte Kunsthalle zugesperrt, Kiel die Kunsthalle für moderne Kunst oder Lübeck sein beliebtes St. Annen-Museum. Undenkbar!

Rostocks Kunsthalle, 1968/69 von den Architekten Hans Fleischhauer und Martin Halwas errichtet, optisch ans Bauhaus angelehnt als Klinker-Glasbau mit fensterlosem, vom Innenhof her mit Tageslicht versorgtem Obergeschoss und klimatechnisch günstiger Strukturplattenverkleidung aus weißen Kunststeinen. Es kamen jährlich bis zu 182.000 Besucher, doch nach der „Wende“  waren es bloß noch 6000.

Die Zeiten, wo dieser einzige Museumsneubau der DDR das Mekka der beliebten Ostsee-Biennalen auch mit Kunst vor allem aus Skandinavien war, schienen endgültig vorbei. Direktoren aus den alten Bundesländern agierten im Kunsteinsatz Ost – nicht nur in Rostock – glücklos, zeigten Kunst ihrer subjektiven Agenden, was das Publikum als Ignoranz empfand. Zumal war das die Zeit, in der die Ostler ohnehin erst einmal ihren Welthunger stillen wollten.

Also strich Rostocks geldknappe Bürgerschaft den Etat und machte Druck auf Schließung. Ein Umbau, gar zu einem Hotel oder einer Firmenzentrale war nicht möglich; das idyllisch gelegene Haus im Reutershagener Park am Schwanenteich steht seit 1978 auf der Denkmalliste. Versuche einer ökonomischen Nutzung als Vermietungsort scheiterten. Also Abwicklung? Aber da kam Widerstand auf in der Stadt, und Rettung nahte. Durch einen Quereinsteiger: Jörg-Uwe Neumann, ein kunstbesessener Zahnmediziner.

Schenkung: der Maler der Neuen Leipziger Schule Rayk Goetze, links neben ihm Dr. Jörg-Uwe Neumann, der davon erfreute Leiter der Kunsthalle Rostock
Schenkung: der Maler der Neuen Leipziger Schule Rayk Goetze, links neben ihm Dr. Jörg-Uwe Neumann, der davon erfreute Leiter der Kunsthalle RostockKunsthalle Rostock

Ein privater Verein um den Rostocker Arzt, der durch einen familiären Schicksalsschlag nicht mehr praktizierte, betreibt mit dem Segen des Rathauses seit 2009 den Kunstort und riss das Ruder tatsächlich rum. Das Konzept: Die Stadt zahlt Betriebskosten und Personal, der Leiter hat Weisungsrecht und inhaltliche Freiheit. 2010 wurde zunächst energetisch saniert und 2017 ein Schaudepot dazu gebaut. Das machte die dreijährige Generalsanierung des Museums möglich.

Nun ist das ganze Wochenende Wiedereröffnung. Die Sammlung lässt sich als „Ostdeutsche Moderne“ zusammenfassen; bei den Ausstellungen liegt der Schwerpunkt auf aktueller Kunst des Ostseeraums, gepaart mit zeitgenössischer nationaler und internationaler Kunst. Längst kommen wieder bis zu 70.000 Besucher im Jahr. Und wenn es Ausstellungen wie die über die einstige DDR-Kult-Zeitschrift „Sibylle“ gibt, mit Bildern der Leipziger Schule von Norbert Bisky, Andreas Mühe oder dem gebürtigen Mecklenburger Weltkünstler Günther Uecker und der Japanerin Leiko Ikemura, reisen neben den Touristen auch viele Besucher aus den anderen Bundesländern an.

Zur Wiedereröffnung gibt es einen Ausstellungsreigen aus eigenem Bestand. Direktor Neumann bezeichnet die seit 55 Jahren aufgebaute Sammlung von 14.000 Werken als „heterogen“; sie spiegele den schwierigen „Transformationsprozess“ wider. Es gebe, schätzt er ein, fast 33 Jahre nach dem Ende der DDR auch wieder eine größere Gelassenheit und viel mehr echtes Interesse an Kunst aus dem Osten, auch aus Polen und dem Baltikum. Kunst könne, glaubt Neumann, zumindest beim Erinnern und Reflektieren helfen, erfreuen, ermutigen, aufstören. Nicht umsonst sind auch Ausstellungen mit Kunst aus dem Ostseeraum so beliebt. Mit der Reihe „Rostock kreativ“ konnte er das Haus regionaler verwurzeln. Ein erfolgreiches Format, wo Autodidakten ihr Arbeiten jeweils eine Woche lang zeigen können. „Das ist immer wieder ein richtiges Volksfest der Kunst, so schön! Ich will ein offenes Haus für alle Bevölkerungsgruppen haben!“

Die Tage der Offen Tür für jedermann läuten die offizielle Wiedereröffnungsfeier mit Politikern von Land und Stadt, den Förderern und Kulturpartnern am Montag ein. Und es gibt ein Geschenk: Der aus Stralsund stammende Maler Rayk Goetze, der zur Neuen Leipziger Schule zählt, schenkt der Kunsthalle sein großes Gemälde „The Abshaum“. Dargestellt sind Frauen, die sich um den „Abschaum“ kümmern, all diejenigen, die die moderne Gesellschaft lieber aussondert: Arme, Alte, Abgestürzte, Flüchtlinge. Für Direktor Neumann ist der Neuzugang ein Werk von starker aktueller Relevanz.

Kunsthalle Rostock, Hamburger Str. 40 (am Schwanenteich), diesen Sa+So Tag der offenen Tür, regulär Di-So 11-18 Uhr