Durch die Kunstgeschichte, gerade die deutsche, zieht sich ein großes romantisches Sehnen nach Ewigkeit. Und nach dem Paradies. Nur sind Künstler immer auch Kinder ihrer Zeit. Hat der kluge Max Liebermann mal gesagt.
Treffender kann das nicht passen auf den Maler Norbert Bisky, 1970 in Leipzig geboren, seit seinem zehnten Lebensjahr aufgewachsen in Berlin. Und identifiziert mit dieser Stadt. Hier hat der Sohn des Film-Mannes und Linken-Politikers Lothar Bisky in den Neunzigern an der Universität der Künste bei Baselitz studiert. Hier wurde er berühmt für seine Böse-Buben-Bilder: Pioniere und FDJler am Lagerfeuer, NVA-Soldaten und schwule Jungs. Sie spiegeln sein frühes Coming-out wie auch die DDR-Geschichte wider. In Berlin malt er seit Jahren sein Lebensgefühl in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, in der sich alles wie in einer Zentrifuge anfühlt. Alle einstigen Gewissheiten zersplittern, scheinbar berechenbares und verlässliches Gefüge zerbricht, zerfranst.
Pechsteins idealisierte Südsee-Exotik
Bisky zerlegt diese beängstigende Situation nicht in Zuordnungen, geo- oder national-politisch. Er ist weit weg vom Moralisieren, oder gar vom Besser-Wissen. Er malt, wie er denkt und fühlt. Dynamisch, im Zusammenhang von Geschichte und Gegenwart. Und in teils auch ratloser und doch hoffnungsvoller Sorge um die Zukunft.

Zu Zwickaus Kunstsammlungen gehört auch das Pechstein-Museum. Lange hat Bisky nicht gezögert, als der dortige Kunstverein „Freunde Aktueller Kunst“ in der Geburtsstadt des Brücke-Expressionisten Max Pechstein (1881–1955), dem Mitbegründer der Berliner Secession, der Novembergruppe und von den Nazis als „entartet“ verfemt, ihm eine Ausstellung antrug. Er war sofort inspiriert, sich malerisch mit diesem Künstler auseinanderzusetzen.
Bisky wählte in der Heimat Pechsteins und Robert Schumanns, vor dem aktuellen Hintergrund der AfD-Erstarkung in der Stadt, in der einst die NSU-Terror-Zelle unerkannt wohnte, ausgerechnet des Brücke-Malers Paradies-Motive: Pechsteins verklärte, fast eskapistische Idealisierung des unberührten Daseins der Eingeborenen auf den Palau-Inseln in der Südsee, die er 1913/14 (damals deutsches Kolonialgebiet) mit seiner ersten Frau Lotte bereist hat. Die Rückreise aus dieser Flucht in die Idylle wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs freilich fast zu einer Odyssee. Lange galten diese Zeichnungen als verschollen. Aus ihnen entstanden später, wieder in Deutschland, die berühmten Gemälde.

Auf den popbunt gestrichenen Kunstverein-Wänden hängen 24 in diesem Jahr gemalte Bezugs-Bilder Biskys. Die hat er „Im Freien“ überschrieben und das südliche Licht, die Schatten, das Leuchten der Farben und die Schönheit der Körper der Insulanerinnen und Insulaner in Pechsteins Szenen aufgenommen. Damit auch dessen rohen skizzenhaften Pinselstrich auf groben, ungebleichten Leinwänden. Nicht aber die beinahe weltabgeschiedene, mit der Natur, mit Vegetation und Pazifik fast symbiotische Gelassenheit von dessen exotischen „Wilden“.
Bei Bisky zerbirst etwas. Er wählte enge Bildausschnitte und stürzende Perspektiven. Die nackten Frauen- und Männergestalten, gerade noch scheinbar friedlich beim Strandspaziergang oder Spiel, rennen plötzlich panisch davon. Es ist, als wackele unter ihnen und unter ihrer Behausung die Erde, als stürze ein grelles Unwetter in Farbbrocken und teils schwarz-rot-goldenen Fetzen herab in eine globalisierte Gegenwart. Wie ein endloser Konflikt, wie Krieg, wie Klimakatastrophe.



