Er ist, und daran gibt es von Anfang an nicht den Hauch eines Restzweifels, ein Scheißkerl, ein richtiges Arschloch, a prick eben, man könnte ihn aber auch Andy-Grote-like einfach einen Pimmel nennen. Und ein Pimmel – siehe: postmortale Erektion – beult dann auch gleich die Hose aus, die er, John-Paul (Cleas Bang) alias JP, bei seiner Beerdigung trägt und es damit selbst im offenen Sarg noch schafft, seine Frau Grace (Anne-Marie Duff) zu demütigen. Scheißkerl, Arschloch, prick – endlich tot. Ein Unfall, wie die Polizei ermittelt hat? Oder doch ein Mord, wie zwei Lebensversicherungsagenten vermuten?
Wer JP besser kannte, diesen sadistischen Menschenfresser und alles Lebenswerte verachtenden Kontrollfreak, der als Kind Frösche in Milch ertränkte und in Einmachgläsern aufbewahrte, der konnte nicht anders, als ihn zu hassen. Vor allem Graces Schwestern, alle vier, alle aus unterschiedlichen Gründen. Und jede einzelne hat auch ein Mordmotiv. Eva (Sharon Horgan), Bibi (Sarah Greene), Ursula (Eva Birthistle) und Becka (Eve Hewson) sind die serientitelgebenden „Bad Sisters“ und zu allem bereit im Kampf gegen maximal toxische Männlichkeit. Gegen einen Mann wie JP, der – siehe: Gaslighting – lügt, manipuliert, einschüchtert. Daher: Eine für alle und alle für eine.
Was macht das Boot in der Einfahrt?
Sharon Horgan spielt nicht nur die älteste Schwester, die sich nach dem Tod der Eltern um alle kümmerte, sie ist auch Mitproduzentin von „Bad Sisters“, einer Adaption der belgischen Serie „Clan“ (2012). Wie in „How to Get Away with Murder“ gibt es Zeitsprünge in der Erzählstruktur: Die Handlung spielt im Wechsel sechs Monate vor JPs Tod und unmittelbar danach. Die Geschichte entfaltet sich Schicht um Schicht, als würde man eine Zwiebel schälen. Wobei viele relevante Details bereits in einem grandiosen Intro angelegt sind. Was bei Tschechow die Waffe an der Wand ist, die unbedingt abgefeuert werden muss, ist in „Bad Sisters“ das Boot, das in einer Einfahrt steht. Man fragt sich: Wann wird es zu Wasser gelassen, und welchen Twist wird es an Deck geben?
Diese Serie ist auf so vielen Ebenen gelungen. Der Humor („Wir nehmen diesmal Gift, wie richtige Frauen!“) ist dunkel bis schwarz, gleichzeitig getragen von einem selbstironischen Feminismus. Es ist gerade für Männer wohltuend, Frauen beim Streiten, Fluchen, Saufen zu beobachten. Denn wie plump wirkt es dann, wenn die Lebensversicherungsagenten, von ihren Gefühlen übermannt, sich bloß auf die Fresse hauen.
Dann die Musik, die mehr als nur ein sich im Kreis veränderndes Thema zu bieten hat. Man hört die Stimmen von Nancy Sinatra und Isobel Campbell, mal tanzbar, mal zum Heulen. Dazu eine subtile Kamera, der mehr einfällt, als Emotionen in der Nahaufnahme einzufangen, und die immer wieder die malerischen Küstenlinien Irlands abfliegt. Wer jetzt noch keine Drohne hat, der muss sich eine kaufen.
Aber noch mal kurz zurück zu Grace, JPs Ehefrau, die den Pimmel im Sarg gerade noch so kaschieren kann, aber immer weniger, dass das Leben ihr entglitten ist. Dass sie nach all den Jahren in einer Hölle von Ehe die Hilfe ihrer Schwestern braucht. Als Zuschauer, und das ist der Reiz von „Bad Sisters“, kann man nicht anders, als zum Mordkomplizen zu werden. Man will den Tod dieses Mannes, Gas, Gift, egal, Hauptsache er verschwindet unter die Erde. Weil er es verdammt noch mal verdient hat. Und dann kommt die siebte von zehn Folgen, und man muss feststellen, dass die Sache doch etwas komplizierter ist.
Wertung: 4 von 5 Punkten


