Das fliegende Auge

Die lange Nacht der Berliner Filmfestivals: Überbordendes Programm zum 10. Jubiläum

Berlin feiert sich als globale Filmmetropole – zu Recht. Wichtiger als die Berlinale sind jedoch die vielen kleinen Festivals. Vor zehn Jahren haben sie sich zusammengetan.

Szene aus dem Film„Nothing Compares – Sinead O’Connor“ von Kathryn Ferguson.
Szene aus dem Film„Nothing Compares – Sinead O’Connor“ von Kathryn Ferguson.Courtesy of Sundance Institute

Es gibt nicht so viele Alleinstellungsmerkmale, die Berlin zu bieten hat – aber in Sachen filmischer Vielfalt wird das Versprechen auf eine wirkliche Metropole eingelöst. Hier kann Berlin es ohne Mühe mit Paris oder New York aufnehmen. Viel gewichtiger als die Berlinale fallen dabei aber die vielen kleinen Festivals der Hauptstadt aus. Sie nämlich bieten das ganze Jahr über lebendige Kinoerfahrung, leisten Basisarbeit vor Ort, ihre Macher vermitteln einen permanenten Austausch zwischen Kreativen und Publikum. Statt eines gravitätisch für zehn Tage anlegenden, ferngesteuerten Luxusdampfers navigieren sie als kleine Lotsenboote durch den cineastischen Alltag. Was an ehrenamtlicher Arbeit dahintersteckt, wird oft unterschätzt.

Um ihre Aktivitäten besser bündeln und abstimmen zu können, gründete im Juni 2011 eine Gruppe von Festival-Organisatoren den „Festiwelt e.V.“; inzwischen haben sich unter seinem Dach 52 kleine und mittlere Festivals versammelt. Seit 2013 organisiert der Verein eine jährliche Sommer-Party, quasi ein „Festival der Festivals“. Jetzt, zum zehnten Jubiläum, steht ein überbordendes Programm ins Haus, mit DJs, Live-Musik, Workshops, Gesprächsrunden – und natürlich mit jeder Menge kurzen und langen Filmen. Vier Bühnen werden mit mehr als 40 verschiedenen Programmpunkten simultan bespielt. Einen ganzen Tag lang scheint von den Mini-Festivals jene Gigantomanie parodiert zu werden, die sie der Berlinale gern vorwerfen.

„Rosa Extra Extrakte 1980–1984“ führt in die Anfangsjahre des Ost-Berliner Punks

Neben Poesie-, Animations-, Kinder- oder Fußballfilmen liegt ein Schwerpunkt auf der Verbindung von Musik und Bewegtbild. Mit „The Last Day“ etwa läuft ein artifizielles, von Elisa Mishto und Alexandre Powelz erstelltes Porträt des ostdeutsch basierten Erfolgs-Trios „Moderat“. Als Preview kommt die Dokumentation „Nothing Compares – Sinead O’Connor“ von Kathryn Ferguson zur Aufführung. Der Tarwater-Bassist Bernd Jestram entführt unter dem Titel „Rosa Extra Extrakte 1980–1984“ in die ebenso wilden wie selbstzerstörerischen Anfangsjahre des Ost-Berliner Punks. Die soeben wiedergefundenen, restaurierten und neu vertonten Super-8-Aufnahmen laufen zusammen mit der Doppelprojektion „Ornament + Verbrechen – Die Gebrüder Lippok“ von Jakobine Motz.

Ein Höhepunkt wird der Auftritt der ukrainischen Band Mavka sein. 2013 von Iryna Lazer und Oleksiy Mikriukov in Kiew gegründet, überschritt ihre auf Folklore, sphärischem Gesang und elektronischen Beats basierende Musik von Beginn an sämtliche Genre-Grenzen. Die Verbindung aus Theater, Film und Live-Performance fusioniert zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk. Mavka ist der ukrainischen Mythologie entlehnt. Die in Wäldern, Flüssen oder Wäldern lebende Fee gleichen Namens verteidigt die Natur gegen den Ansturm der Moderne. Aber so einfach ist diese Geschichte nicht ...

10 Jahre „Lange Nacht der Berliner Filmfestivals“. Kulturfabrik Moabit und Filmrauschpalast, 28. Juli, von 15 Uhr bis nach Mitternacht