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Der Mann, dessen Hirn an der Wand klebt: Bjarne Mädel als Buba

Auch Kleinganoven haben eine Kindheit, die einiges erklärt. Bjarne Mädel spielt die glücksscheue Titelfigur in der Netflix-Komödie „Buba“.

Die beiden Brüder Jakob Otto und Dante (Bjarne Mädel und Georg Friedrich, v.l.) in „Buba“.
Die beiden Brüder Jakob Otto und Dante (Bjarne Mädel und Georg Friedrich, v.l.) in „Buba“.Netflix/Bernd Spauke

Wer „How To Sell Drugs Online (Fast)“ gesehen hat, die nach „Dark“ und „Dogs of Berlin“ dritte in Deutschland entwickelte, gedrehte und produzierte Netflix-Serie, weiß, dass sich Buba bereits in der ersten von drei Staffeln aus Versehen selbst sein Gehirn mit einer umgebauten Gartenspritze aus dem Schädel geblasen hat. Die Gymnasiasten um Moritz und Lenny, die in dieser schwarzen Komödie einen Online-Drogenversandhandel aufziehen und die besagte Spritze entsprechend manipuliert haben, wollen es wie einen Selbstmord aussehen lassen – und dieser Schutzbehauptung selbst gern glauben. „An seiner Stelle hätte ich mich auch erschossen.“ – „Ich habe noch nie jemanden bei dem gesehen, Familie oder Freunde…“ – „Ja, jeder wird glauben, dass er seinem armseligen Leben einfach ein Ende gesetzt hat. Sieht der für euch aus wie ein glücklicher Mensch?“

Schnitt auf das zerschossene Gesicht von Buba, gespielt von Bjarne Mädel, dessen frühes Ausscheiden aus der Serie schmerzlich, aber beabsichtigt war. „Ich hatte keine große Lust auf noch eine weitere feste Serienrolle“, zitiert das Presseheft den langjährigen Stromberg-Kollegen, Tatortreiniger und Hängascher Dorfpolizisten aus „Mord mit Aussicht“ – allesamt inszeniert von Arne Feldhusen, der auch bei „How To Sell Drugs...“ und „Buba“ Regie führte. Ist Buba also ein glücklicher Mensch? Man kann ihn noch erkennen, trotz seiner blondierten Haare, seines dunklen Schnauzers und des vielen brockigen Bluts. Seine Off-Stimme nimmt die rhetorische Frage auf: „Na gut, das ist jetzt aber auch nicht der richtige Moment, um das zu beurteilen, ihr kleinen Pisser. Na klar bin ich ein glücklicher Mensch.“

Und damit springt die Handlung des abendfüllenden Prequels „Buba“ zurück auf die Kindheit des Kleinganoven, der als Jakob Otto aufwuchs und von seiner Oma lernte, dass das Leben genauso ist wie ein Märchen. Pause, Pause, Pause. „Genau so grausam.“ Die nicht unsympathische, aber dennoch furchterregende Oma legt eine äußerst haltbare Doublebind-Struktur auf die Seele des Kindes, indem sie behauptet, dass alles Gute, das einem widerfährt, mit Schmerz und Harm abgegolten wird.

Und so läuft es dann auch. Buba gewinnt einen Breakdance-Wettbewerb gegen Leonardo di Caprio („Is wirklich so passiert, könnt ihr googeln“) und bekommt zum Triumph einen Kuss von Jule, dem Mädchen, in das er verliebt ist. Prompt gibt es einen Autounfall, bei dem seine Eltern sterben, sein Bruder Dante schwer verletzt wird – und sich einen Gehfehler sowie, nicht unerheblich für die spätere Besetzung der Rolle mit dem Österreicher Georg Friedrich, durch eine hirnphysiologische Anomalie einen Wiener Dialekt zuzieht.

Also im Detail ist die Konstruktion der Handlung toll verblödelt und verbastelt, aber umso einfacher funktioniert ihre Grundmechanik: „Wenn es mir zu gut geht, passieren schlechte Dinge. Also musste ich dafür sorgen, dass es mir schlecht geht.“ Und damit ist sein Lebensweg vorgegeben. Buba versucht, allen glücklichen Fügungen aus dem Weg zu gehen, zu denen auch die wieder aufgetauchte Jule (Anita Vulesica) gehört, und wirft sich in den Schmerz, weil er einfach gestrickt ist, vor allem in seine körperliche Variante.

Er wird von Autos angefahren, brennt auch mal, fällt von Dächern neben Strohballen, kriegt Schaufeln vor das Gesicht gedroschen, Elektroschocker an den Hals gedrückt und von Jule zahlreiche Tattoos gestochen: einen Nacktmull auf den Fuß, schaukelnde Eier auf den Oberschenkel und seinen Namen auf die Innenunterlippe, wegen der starken Blutung hierbei muss bei „Bub“ abgebrochen werden. Mit dieser Schmerzsuche und dem dadurch entstehenden Eindruck der Furchtlosigkeit macht er sich in einem für die strukturschwache Gegend sehr unübersichtlichen Konfliktfeld von miteinander konkurrierenden, mehr oder weniger echten albanischen Clans einen Namen.

Pointen und Punches

Sagen wir mal so. Es wäre sicher eine größere Freude gewesen, bei der Entwicklung des Plots mit den Drehbuchautoren Sebastian Colley und Isaiah Michalski, beide wie Feldhusen aus dem Comedy- und Gagschreiber-Genre, dabei gewesen zu sein, als nun die ganzen lustigen Pointen zusammen mit den brutalen Punches über sich ergehen lassen zu müssen.

Die Idee ist bestechend, und ausgedacht ist es im Einzelnen mit viel Liebe, aber die Spannung ist überreizt, sodass sie schnell nachlässt und das Ganze an den entscheidenden Stellen atmosphärisch doch immer wieder zurück in den Komödien-Fernsehalltag kippt. Die Gefährlichkeit und Aggressivität, die Buba in der Serie hat und in den fünf Jahren, die bis zu seinem Tod vergehen, vielleicht noch ausbildet, wirken hier von Beginn an wie das kalkulierte Versehen eines auftrittsicheren Slapstickmeisters.

Buba Deutschland 2022, 94 Minuten, Farbe, Regie: Arne Feldhusen, Buch: Sebastian Colley und Isaiah Michalski, auf Netflix