Schüsse in Berlin, amouröse Verwicklungen in Bayern, tragisches Welttheater auf dem Balkan: Unverdrossen arbeitet sich das Eva-Kino durch Randbereiche des deutschsprachigen Films. Dadurch kann so manches entdeckt werden, was sonst nur in Fußnoten auftaucht.
Der historische Zyklus kommt dabei ohne akademische Begleitung aus; statt Referaten gibt es vorher Kuchen. Im April stehen zwei mehr oder weniger als Krimis einstufbare NS-Produktionen auf dem Spielplan. In „War es der im 3. Stock?“ (1939) von Viel-Filmer Carl Boese dient ein Mietshaus als kriminalistischer Mikrokosmos, dessen Bewohner durchweg einer Gewalttat tatverdächtig scheinen. Die Polizei zieht den Kreis immer enger, muss aber ebenso wie das Publikum immer neue Überraschungen erleben.
Etwas komplexer fällt Paul Verhoevens „Aus erster Ehe“ (1940) aus. Hier kämpft ein verwitweter Wissenschaftler um seine neue Liebe. Nicht nur, dass seine fast erwachsenen Kinder eifersüchtig auf die Ersatzmutter reagieren – auch der Kleinstadthumus kocht böse Gerüchte hoch, und ein notorischer Schürzenjäger lässt die Situation bis hin zu einem Mordversuch eskalieren. In der Rolle des Witwers ist Ferdinand Marian zu sehen, der sich im selben Jahr für Veit Harlans „Jud Süß“ hergab. Nein, in jener Zeit konnte es kein unschuldiges deutsches Kino geben.
Ganz anders die Ausgrabung „Um Thron und Liebe“, 1955 von Bühnen-Titan Fritz Kortner für die Leinwand in Szene gesetzt. Dem 1892 in Wien als Nathan Kohn auf die noch im Glanz stehende K.-u.-K.-Welt Gekommenen war es eine Herzenssache, den Anlass für den Untergang seiner Heimat filmisch nachzuzeichnen. Er rekapituliert die verhängnisvollen Geschehnisse, die am 28. Juni 1914 zur Ermordung von Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Gattin führten, damit wenige Wochen später zum Ausbruch des Weltkrieges und zur nachfolgenden, völligen Neuordnung Europas.
Bei Kortner entfacht sich an den Schnittstellen Explosivkraft
Kortner bleiben Sentimentalitäten fremd. Ihm geht es auch nicht um Erklärungen für schicksalhafte Entwicklungen oder um Spekulationen darüber, ob Österreich-Ungarn nun ein „Völkergefängnis“ war oder ein eher progressiv gedachter Proto-EU-Entwurf. Er fächert ein Panorama von Haltungen (und Nicht-Haltungen) auf, die in sich zwar stimmig sind, aber in ihrem Zusammentreffen eine nicht mehr zu stoppende Kausalkette in Gang setzten.
Sein künstlerisches Prinzip besteht in der Parallelmontage von Ereignissen; an den Schnittstellen entfacht sich Explosivkraft. So erleben wir die erstarrten höfischen Rituale, daneben die Vorbereitungen des Attentats von durchaus sympathisch gezeichneten serbischen Nationalisten. Zwischen Franz Ferdinand und seiner Frau gibt es fast intime Situationen, ebenso wie zwischen einem von Klaus Kinski gespielten Bombenwerfer und seiner Geliebten.



