Es könnte alles so schön sein: Hannah Hall (Jennifer Garner) ist eine erfolgreiche Künstlerin, ihre Töpferware hochgelobt, ihr Mann Owen Michaels (Nicolaj Coster-Waldau) arbeitet für ein nicht weniger erfolgreiches Software-Start-up, natürlich in Kalifornien, und wenn nicht die biestig pubertierende Stieftochter Bailey (Angourie Rice) wäre, dann würde nichts das gemeinsame Glück auf dem Hausboot in San Francisco trüben: Sanft schaukeln die Boote und zärtlich blickt sich das immer frisch frisierte Paar in die Augen.
So könnte es weitergehen, doch plötzlich überreicht ein wildfremdes Mädchen Hannah einen Notizzettel, darauf nur eine einzige mysteriöse Nachricht: „Beschütze sie“. So lautet auch der Titel der Mystery-Thriller-Serie, die seit dem 14. April auf Apple TV+ zu sehen ist. Mit dem Notizzettel in der Hand der zu Recht verwirrten Hannah beginnt natürlich das Unheil über die kalifornische Bilderbuchidylle hereinzubrechen, denn die Nachricht ist von Owen, und der denkt gar nicht daran, an sein Telefon zu gehen, geschweige denn überhaupt noch mal aufzutauchen.
Leider nicht dauerhaft spannend
„The last thing he told me“, so der Originaltitel, ist die Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Laura Dave und dreht sich im Grunde nur um zwei Themen: Wo ist Owen, und, wesentlich interessanter, wie finden Stiefmutter und nervig adoleszente Stieftochter zusammen, um den Vater respektive Ehemann wiederzufinden? Das Ganze beginnt recht vielversprechend, abgesehen von einem etwas zu augenscheinlich auf Diversität setzenden Cast, wirken die Charaktere glaubhaft, und Jennifer Garner ist vollkommen zu Unrecht mehr als Ex-Frau von Ben Affleck berühmt denn als gute Schauspielerin.
Auch Angourie Rice gibt die pubertierende und der Stiefmutter in herzlicher Abneigung verbundene Tochter wirklich nachvollziehbar. Die beiden Frauen müssen sich nun zusammenraufen, um den Verbleib des absenten Owens zu klären. Irgendwas lief schief beim fancy Software-Start-up, das FBI steht auch schon vor der Tür, das Suspense-Klavier macht es atmosphärisch dräuend, und „Beschütze sie“ könnte dieses verregnete Wochenende durchaus bereichern, wenn der Fortlauf der Handlung so spannend wäre wie der Beginn der siebenteiligen Serie. Ohne zu spoilern: Ist er nicht.
Vermiester Thriller-Spaß
Was vielversprechend beginnt, trägt sich leider nicht auf der kompletten Länge, sondern plätschert etwas zu selbstgefällig an die eigene Handlung glaubend dahin, was daran liegen mag, dass Laura Dave nicht nur den Roman, sondern auch das Drehbuch verfasst hat und unter Umständen ein wenig zu siegessicher bei der Arbeit war. Mit Olivia Newman, Deniz Gamze Ergüven, Daisy von Scherler Mayer und Lila Neugebauer haben zudem fünf Regisseure an „Beschütze sie“ gearbeitet, und offenbar hat sich jeder auf den anderen verlassen in der Hoffnung, dass schon irgendwer etwas mehr Bumms in die Handlung bringen wird.
Zwei weitere Punkte vermiesen einem den Thriller-Spaß: Zum einen ist das Ganze so penetrant idyllisch in Szene gesetzt, dass man sich dauernd wie einem Werbe-Reel für sommerliche Urlaubsziele vorkommt. Alles ist zu malerisch, so kalifornisch-sonnig und harmonisch, als dass man sich als Zuschauer wirklich mitgenommen fühlt; was schade ist, denn an den Schauspielern liegt es nicht.
Darüber könnte man mit ein wenig Wohlwollen hinwegsehen, doch leider kommt noch hinzu, dass der große Knall irgendwie fehlt. Zwar wird sich ordentlich Mühe gegeben mit puzzleartigen Rückblenden und einem guten Spannungsbogen, doch am Ende zündet „Beschütze Sie“ nicht so richtig und bleibt ein wenig blass in der Erklärung für das Verschwinden der Hauptfigur. Wem der Plot zusagt, für den gibt es sicherlich bessere Serien oder Filme über das plötzliche und mysteriöse Verschwinden von geliebten Menschen und/oder Ehepartnern. Vor allen Dingen weniger langatmige.
Wertung: 2 von 5




