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„In Vogue: The 90s“: Als Kim Kardashian noch Madonnas Hunde ausführte

Disney zeigt das mehrteilige Porträt eines Jahrzehnts, erzählt aus einer Mode-Perspektive. Spannend ist das vor allem für all jene, die mit Mode nichts zu tun haben. Die Kritik.

Schwarze Sonnenbrille, symmetrischer Bob: Anna Wintour machte die Vogue groß.
Schwarze Sonnenbrille, symmetrischer Bob: Anna Wintour machte die Vogue groß.AFP

Wer keine Ahnung hat, ist klar im Vorteil – keine Ahnung von der Mode der 1990er, von der Branche im Allgemeinen, von der Vogue im Speziellen. Dann nämlich zeigt sich die sechsteilige Disney-Miniserie „In Vogue: The 90s“ bestimmt als dichte Dokumentation, voll von überraschenden Details aus dem für die Mode so wichtigen Jahrzehnt. Im Nachteil sind indes die Wissenden.

Denn die vielen kleinen Anekdoten und großen Geschichten wurden doch schon so oft erzählt: Wie Anna Wintour 1988 als neue Chefin zum ersten Mal ein Model in Jeans auf das Cover der bekanntesten Modezeitschrift der Welt brachte. Wie die alarmierte Druckerei im Redaktionsbüro angerufen hatte, weil sie dies für ein Versehen hielt. Wie auch diese Ausgabe, schließlich gedruckt und hunderttausendfach verkauft, eine Zeitenwende in der prüden Prêt-à-porter einläuten sollte.

Als die aus heutiger Perspektive letzte unschuldige Dekade – vor dem 11. September, vor dem weltweiten Terror, vor Pleiten, Pech und Pandemien –, hatten die Neunziger mehr Raum gelassen für alles Frivole und Triviale, für Banalitäten. Und doch zeigte sich schon damals gerade in der nicht selten prophetischen Mode, die vor dem Jahrtausendwechsel etwa dem düsteren Grunge verfallen war, dass die Menschheit nur wenig rosigen Zeiten entgegenblicken dürfte.

Die Neunziger durch die schwarze Sonnenbrille Anna Wintours

Das vielleicht ist die interessantere Facette der Dokureihe „In Vogue: The 90s“: Anders als es der prägnante Titel vermuten lässt, handelt es sich eher um das mehrteilige Porträt eines gesamten Jahrzehnts, erzählt nur aus einer Mode-Perspektive – ein Blick auf die Neunziger durch die schwarze Sonnenbrille Anna Wintours, sozusagen. Sie steht im Zentrum, nicht nur der Mode und ihrer Medien, sondern auch im Zentrum der Disney-Produktion.

Dabei wagt diese – und das ist ein Novum im Vergleich zu anderen Vogue-Dokumentationen wie „The September Issue“ (2009) – gar Umwege über die alternative Konkurrenz. Eine verknautschte Kate Moss auf dem Cover von The Face oder ein Blick in das damals gewagte britische Heft i-D offenbaren, dass es ausgerechnet dem dominanten Modemagazin zwischenzeitlich schwergefallen war, Schritt zu halten. Dass dies in der Miniserie so deutlich und klar nacherzählt wird, ist umso bemerkenswerter, da die machtbewusste Wintour bekanntermaßen alles zu kontrollieren weiß, was den Stempel „Vogue“ trägt, in diesem Fall sogar im Titel.

Neben der Britin kommen in der kurzweiligen Doku zahlreiche andere Akteurinnen und Akteure der Branche zu Wort, darunter Grace Coddington und Tonne Goodman, Tom Ford und Donna Karan, Naomi Campbell und Claudia Schiffer; außerdem einige Prominente wie Gwyneth Paltrow oder Nicole Kidman – selbst die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die 1998 noch als First Lady auf dem Cover der Vogue abgebildet war, ist im Interview zu sehen.

Die mit der Branche eng verbandelten und doch auch branchenfremden Stars sind es, die selbst den versiertesten Zuschauerinnen und Zuschauern doch noch ein paar Überraschungen servieren. Kim Kardashian zum Beispiel: Der hatte Madonna, die in der Miniserie als eine der entscheidenden Persönlichkeiten der Neunziger herausgestellt wird, damals einen Schwung knallbunte Armbänder aus ihrer „Like a Virgin“-Phase geschenkt.

Die Ahnungslosen und die Ahnungsvollen erfahren: Als Teenager hatte sich Kim Kardashian das wohl ohnehin recht üppige Taschengeld aufgebessert, indem sie die Hunde ihrer prominenten Nachbarin Madonna ausführte. Hätten Sie’s gewusst?

4/5 Punkte

In Vogue: The 90s. Dokumentarische Miniserie, sechs Folgen. Seit 13. September auf Disney+