Kultur

Hier müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion

An diesem Wochenende eröffnet der neue Leiter Bonaventure Ndikung das HKW, während am DT Abschiedsstimmung herrscht. Alternativ rufen Freiluftkino oder Jurte.

Uroš Pajović / BLZ

Für Hartgesottene, die zum Abschied weich werden

Hier ein Tipp, der zugleich eine Warnung ist. Aber die Leserschaft ist mündig und darf natürlich selbst entscheiden, ob sie ihrem Kritiker glaubt, dem dieser Theaterabend aus dem tiefen Grunde seiner Seele verhasst ist – oder eben den anderen, die solche Art von Schauspielerdressur zum Zweck der Depressionsillustration goutieren und sich möglicherweise tatsächlich davon ins Herz treffen lassen. Hass? Na, sowas! Mit diesem affektiven Bekenntnis ist natürlich bewiesen, dass der Autor dieses Anti-Tipps irgendwie auch berührt wurde und sich der Eindruck tief eingeprägt hat (was bei einem solchen Mantra der Qual allerdings auch kein Wunder ist). 

Die Rede ist von Ulrich Rasches Inszenierung von Sarah Kanes Suizid-Monolog „4.48 Psychose“, herabgeschrien von einem Schauspielensemble, das auf einer Drehscheibe im Kreis marschiert. Eine Bühnenerzählung, die sich nach Sekunden erschlossen hat – und dann noch zweieinhalb Stunden auf einen eintrommelt. Na? Lust bekommen? Dann unbedingt noch dieses Wochenende ins Deutsche Theater gehen, es sind die beiden letzten Vorstellungen. Und Ulrich Rasche wird wohl nach dem Weggang von Ulrich Khuon an dem Haus erst einmal nicht inszenieren. Ulrich Seidler

4.48 Psychose 3. Juni 20 Uhr, 4. Juni, 18 Uhr im Deutschen Theater, Karten unter Tel.: 28441225 oder www.deutschestheater.de


HKW: Eröffnungswochenende mit viel Musik

Sicher einer, wenn nicht der große Hotspot an diesem Wochenende in Kultur-Berlin: das Haus der Kulturen der Welt (HKW).  Ursprünglich 1957 als Kongresshalle eröffnet, dann aber 1989 zum Kultur-Begegnungszentrum umfunktioniert, war das Haus während der letzten Monate geschlossen – um nun umso imposanter wiederzueröffnen. Der Grund: Bonaventure Ndikung ist neuer Chefkurator. Zusammen mit seinem frischen Team wird er uns sicher so Einiges bieten in den kommenden Jahren. Eine „kleine“ Kostprobe davon gibt es nun ein ganzes Wochenende lang, von Freitag bis Sonntag. Kulturelle Horizonterweiterung.

Das Programm ist dabei so umfangreich, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen und aufhören soll. Da wir unter unseren Lesenden traditionell viele Fans des Wassermusik-Festivals am HKW haben, beginnen wir vielleicht hier: Das neue Musikfestival am HKW (und damit Wassermusik-Nachfolger) heißt Sonic Pluriverse. Und in seiner ersten Ausgabe steht es unter dem Motto Congorama. Soll heißen: Es geht um drei verschiedene Kongos beziehungsweise Congos. Den allseits bekannten Fluss. Ein Dorf im Norden Venezuelas. Und den Congo Square in New Orleans. Dazu gibt's Konzerte, DJ-Sets und Listening Sessions, auch auf der umwerfenden HKW-Terrasse mit dem wohl spektakulärsten Sonnenuntergang der Stadt. Nicht dass man deshalb käme. Der ist selbstverständlich bloß der Eiswürfel im Kultur-Cocktail. Stefan Hochgesand

Haus der Kulturen der Welt John-Foster-Dulles-Allee 10, Freitag, 2. Juni, bis Sonntag, 4. Juni, Eintritt frei


Trauern und Solidarität tanken

Im Gorki und ums Gorki herum ist das Festival „Gezi - Ten Years After“ in vollem Gange. Ein vielköpfiges Kuratorenteam versucht unter der Leitung der Intendantin Shermin Langhoff die Stimmung von den Gezi-Protesten in Istanbul in die Gegenwart zu retten. Denn was damals geschah, nach der gewaltvollen Niederschlagung von Leuten, die gegen die Bebauung des Stadtparks protestierten, löste eine Welle der Solidarität aus. Der gefährdete Park wurde zum Symbol für die despotische Politik des Erdoğan-Regimes und politisierte die kritischen Massen. Es war sogar gute Laune und Erfindungsgeist im Spiel, was seltsam anmutet, wenn man bedenkt, in welche Gefahr man sich in der Türkei bringen kann, sobald man die Stimme erhebt.   

Der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner bei der Pressekonferenz zu „Gezi – Ten Years After“
Der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner bei der Pressekonferenz zu „Gezi – Ten Years After“dpa

Einer von ihnen ist der deutsche Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner, der 2017 vier Monate lang wegen falscher Terrorismusnanschuldigungen in der Türkei inhaftiert wurde. Er ist Spezialist in der gewaltfreien Konflikttransformation, bestreitet an diesem Wochenende eine der vielen Gezi-Veranstaltungen und gibt einen Workshop für Menschen, die nach dem verheerenden Erdbeben „aus der geografischen Entfernung aktiv solidarisch waren, aber darunter litten, dass sie weit weg waren in ihren Bemühungen zu helfen.“ Eine Jurte wird zum Raum für Trauer und für Frustrationen. Aber wie gesagt, das ist nur eine von vielen Veranstaltungen an diesem Wochenende beim Gezi-Festival. Ulrich Seidler

Gezi – Ten Years After. Festival u.a. mit Peter Steudtners Workshop „Grieving and Recharging Solidarity“ am Sa, 13 Uhr. Weitere Informationen auf gorki.de


Suzume

Über 20 Jahre nachdem Hayao Miyazaki bei der Berlinale den Goldenen Bären für „Chihiros Reise ins Zauberland“ gewann, war dieses Jahr endlich mal wieder ein Antimationsfilm im Wettbewerb des Festivals. Und was für einer. In „Suzume“ schickt Makoto Shinkai, der bereits 2016 mit „Your Name – Gestern, heute und für immer“ ein internationales Publikum erreichte, seine titelgebende Heldin auf eine Reise quer durch Japan. An ihrer Seite läuft ein gelbes Kinderstühlchen auf drei Beinen mit, das allerdings den Geist eines schönen Fremden beheimatet, in den Suzume sich gerade auf den ersten Blick verknallt hatte, bevor er von einer sprechenden Katze in das Möbelstück verwandelt wurde. Diesen pelzigen Übeltäter verfolgen die beiden nun, um ihn davon abzuhalten, an verschiedenen Orten im Land geheime Türen zu entriegeln, was verheerende Erdbeben zur Folge hätte.

Das kollektive Trauma von Fukushima ist hier allgegenwärtig, genau wie der Wille, es zu verarbeiten und die Herausforderungen, die das in diesem Land im Wandel mit sich bringt. In seinem grenzenlosen visuellen Ideenreichtum erzählt Makoto Shinkai davon mit so viel Feingefühl wie Lebensfreude. Diesen Film muss man im Kino sehen – unter freien Himmel passt er besonders gut. Claudia Reinhard

Suzume. Freiluftkino Pompeji (Friedrichshain), Samstag, 3. Juni, 21:45 Uhr, außerdem im fsk, Hackesche Höfe Kino, Kino Intimes und Rollberg Kino


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