Schaumgummi in der Schrottpresse
Das kleine Berliner Helmi-Theater scheut große Stoffe nicht: Es adaptierte fette Epen von Karl Ove Knausgård, Virginie Despentes, Umberto Eco und David Foster Wallace. Und nun wagt es sich auch an die größte aller Bühnenformen: die Oper, ja sogar an die Ur-Oper. Wobei das Wagnis nun darin besteht, so zu tun, als wäre das klingende Gesamtkunstwerk noch gar nicht erfunden worden, sondern bedürfe – angesichts der in Endzeitkonflikten dämmernden Weltlage – der Entwicklung aus dem Nichts. Wagner solle sich schon mal warm anziehen, heißt es in der ironischen Ankündigung.

So richtig haben wir nicht verstanden, was die Helmis da am Sonnabend treiben, aber allein der Titel der Unternehmung klingt vielversprechend: „Schrottpresse an, Magie aus: It’s Musical Time!“ Zumal sich die Macher von der Comic-Künstlerin Liv Strömquist haben inspirieren lassen. Es ist der fünfte der Abende, an denen das im Dezember zur Uraufführung zu bringende Opernprojekt entwickelt werden soll. Ausgangspunkt sind die dunkle Nacht und Katzenmusik. Inwiefern Schrottpressen den ohnehin trashig zusammengeflickten Helmi-typischen Schaumgummifiguren gefährlich werden können („Ich fühl’s nicht!“) oder ob es sich bei der Schrottpresse um ein kulturindustrielles Verfahren zur Herstellung wertloser Tonträger handelt, dies alles wird sich nur durch eine Teilnahme klären lassen. Ulrich Seidler
Ur-Oper #5 „Schrottpresse an, Magie aus: It’s Musical Time!“, 13. Mai, 22 Uhr im Ballhaus Ost, www.ballhausost.de
Lola-Nominierte im Freiluftkino Kreuzberg
Wie es bei so vielen Streaming-Produktionen der Fall ist, pfiffen auch die Verantwortlichen von „Im Westen nichts Neues“ auf das exklusive Zeitfenster, in dem Filme bis vor wenigen Jahren erst mal nur im Kino liefen. Nach vier Wochen landete der Oscar-Erfolg bei Netflix. Das war genug, um noch für den Deutschen Filmpreis nominiert zu werden (zwölfmal), aber zu kurz im Hinblick darauf, dass diesen Film so viele Menschen wie möglich auf der großen Leinwand hätten sehen sollen. Nun haben zumindest einige Berliner noch mal die Chance, im Freiluftkino Kreuzberg im Kunstquartier Bethanien. Am Tag darauf wird „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ gezeigt. Die Adaption des gleichnamigen Romans von Joachim Meyerhoff ist für zwei Lolas nominiert. Die Regisseurin Sonja Heiss kommt anschließend zum Gespräch vorbei. Die Filmpreis-Reihe endet am Sonntag mit „Das Lehrerzimmer“(sieben Nominierungen), der Berliner Regisseur İlker Çatak wird zu Gast sein. Claudia Reinhard
„Im Westen nichts Neues“, „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, „Das Lehrerzimmer“, am 12., 13. und 14. Mai, jeweils um 21:15 Uhr im Freiluftkino Kreuzberg
Bruch mit dem Menschsein im Schinkel-Pavillon
Science Fiction ist im Schinkel-Pavillon offenbar spätestens seit der „HR Giger & Mire Lee“-Ausstellung im vorletzten Jahr ziemlich en vogue. Damals schlürften und verschlangen sich die abgründig-animalischen Arbeiten Mire Lees mit HR Gigers charakteristisch darken Horror-Zeichnungen. Letztere bildeten die Vorlage des legendären Xenomorphs – der außerirdischen Spezies aus Ridley Scotts „Alien“.

Jetzt ist hier eine Gruppenausstellung namens „Human Is“ zu sehen, benannt nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Philip K. Dick, die die Kategorie des Menschseins als nicht unumstößlich behandelt. Die Auswahl der Teilnehmenden wirkt eklektisch und spannt weite konzeptuelle Bögen: vom ‚Anime Artist‘ Ian Cheng über Filmemacher mit einer Vorliebe für Metamorphose wie Fritz Lang, David Cronenberg und Alexander Kluge bis hin zu jüngeren experimentellen Foto- und Installationskünstlerinnen wie Diane Severin Nguyen oder Nour Mobarak. Zu sehen bekommt man hier Kunst, die die Historie von Entmenschlichung behandelt. Aber auch Kunst, die antizipiert, wie das Versprechen transhumanistischen Fortschritts aussehen könnte. Wie sich etwa überkommene Binäroppositionen überwinden ließen. Und wie das gleichzeitig zu ganz neuen (Stichwort KI), die Menschheit an sich überwindenden Problemen führen könnte. In der Betrachtung wirkt das mal fluoreszierend-schimmernd und futuristisch, mal dystopisch-kalt und medizinisch. Mal abstoßend, mal sexy und neu. Auf jeden Fall wie etwas, was man gesehen haben sollte. Hanno Hauenstein
„Human Is“, Schinkel-Pavillon, Oberwallstraße 32, noch bis 23. Juli
Die Sensationen des Malcolm Morley in der Galerie Capitain Petzel

Die Bilder des 2018 in New York verstorbenen Briten Malcolm Morley zählten zu den Höhepunkten des vergangenen Berliner Gallery Weekends und sind zum Glück noch bis Juni zu sehen. Zeitlebens widersetzte der Turner-Preis-Träger sich zwar einer Stilisierung, dennoch verortet die einordnungssüchtige westliche Kunstgeschichte ihn bei den Surrealisten der Nachkriegsmoderne. Hinzusetzten muss man, dass Morleys Humor immer schon very british war, was seiner Malerei eine grandiose Würze verlieh. „Ring of Fire“ ist so ein Bild, triefend vor sarkastischer Lust, in diesem Falle basht er den Siegerwahn, in einem anderen Gemälde ist ein Super-Crash auf der Autobahn dargestellt. Nein, keine Opfer, kein Blut. Nur zusammengekrachte Blechlawinen – und dann: Totalsperre. Nichts geht mehr in der hypermodernen Traffic-Welt. Morley, der die Farben liebte, sagte einmal, er wolle mit seiner Malerei „direkt ins Nervensystem“ der Betrachter „eindringen“. Dafür mixte er so fantasievoll wie respektlos die Malstile: Neoexpressionismus, Surrealismus, Fotorealismus und Pop Art. Ingeborg Ruthe
Malcolm Morley: Sensations, Galerie Capitain Petzel, Karl-Marx -Allee 45, bis 10. Juni, Di–Sa 11–18 Uhr
Bohème Sauvage: Zeitreise in die immer noch Goldenen Zwanziger

