Digitalisierung

Zahlen und bestellen per App im Restaurant? Da freuen sich die Deutschen

Während man sich in anderen Ländern um die Rechnung streitet, zahlen die Deutschen gern getrennt. Die Digitalisierung spielt ihnen dabei in die Karten.

Praktisch ist das Bezahlen und Bestellen per App auf jeden Fall. Doch so manches geht dabei verloren. 
Praktisch ist das Bezahlen und Bestellen per App auf jeden Fall. Doch so manches geht dabei verloren. Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende, Bilder: imago (3)

Vermutlich inspiriert von Sartres Drama „Geschlossene Gesellschaft“ definierte der Kabarettist Josef Hader in seinem Programm einmal drei essenzielle Fragen der Menschheit: „Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und: Was gibt es zum Mittagessen?“ Letztere wirft weitere Fragen auf: Mit wem nehmen wir es ein? Und, falls man dies im Restaurant tut: Wer bezahlt? Und wie viel?

Das identitätsstiftende Potenzial des sozialen Akts Essengehen ist enorm. Wer man ist – oder wichtiger – wer man eben nicht ist, lässt sich zum Beispiel schon bei der Bestellung (pescetarisch? vegetarisch? Mettbrötchen?) und der Kellneransprache („Bedienung!!“, „Entschuldigen Sie bitte?“) demonstrieren. Richtig spannend wird es allerdings, wenn am Ende die Rechnung auf dem Tisch landet.

Den Kampf um die Bezahlhoheit verlieren die Deutschen gern

Was nun geschieht, hängt in der Regel stark davon ab, in welchem Umfeld die Speisenden aufgewachsen sind. In vielen Kulturkreisen markiert der Kampf um die Bezahlhoheit den Höhepunkt der Zeremonie, gewinnen kann man ihn durch herausragende Leistungen in den Disziplinen Schnelligkeit, Penetranz oder Lautstärke.

Besonders leidenschaftlich werden diese Kämpfe zum Beispiel in der Türkei oder in China ausgefochten. Deutsche, die mit Freunden aus der türkischen Community essen gehen, kennen die erschrockenen Blicke, wenn sie freudig überrascht gleich das erste Angebot ihres Gegenübers annehmen, für alle zu bezahlen. Die Annahme, dass mit sozialem Kapital am ökonomischen gespart werden kann, ist ein schmaler Grat, wenn diese Freundschaften halten sollen.

Kalkül muss man dem gemeinen Deutschen dabei freilich nicht unterstellen, ist es hierzulande doch nach wie vor üblich, getrennt zu bezahlen. Und das hat ja tatsächlich auch Vorteile: Man kann die kulinarische Wahl am Kontostand ausrichten und muss sich keine Gedanken machen, ob man andere übermäßig belastet, indem man zum Beispiel eine Vorspeise oder gleich sieben Gläser Wein bestellt. Auch sich daran zu erinnern, wer beim letzten Mal dran war, wer gerade ein Erfolgserlebnis gebrauchen könnte oder was der neue Partner denken wird, wenn man die Runde nicht für sich entscheidet, ist unter diesen Voraussetzungen nicht nötig.

Diesem deutschen Ansatz kann nun ironischerweise ausgerechnet die Digitalisierung in die Karten spielen. Unweit der Redaktion des Berliner Verlags gibt es ein vorzügliches Restaurant, in dem jeder für sich selbst bestellt – und zwar per App, nachdem man den QR-Code auf dem Tisch gescannt hat. Auf dem Handy wählt man Gericht und Getränk aus, zahlt gleich im Anschluss und bewertet je nach Gusto noch das „Bestellerlebnis“ in Smiley-Form. Soziale Codes werden also mit Programmcode überschrieben. Vielleicht nicht ganz unerheblich für die ersten beiden Fragen der Menschheit.