Die Leserinnen und Leser der Verhaltenskolumne wissen ihr Interesse an der Frage zu zügeln, was die Fabrikate der neuen Rolex-Kollektion wohl kosten mögen. Auf solche vergifteten Gesprächsangebote, als welche diese Uhren und andere Luxusklunker in erster Linie fungieren, fallen wir nicht herein. Emporkömmlinge, die sich so etwas zulegen und dann tatsächlich umbinden, statt als Geldanlage im Tresor verschwinden zu lassen, wollen doch nur ihr Distinktionsbedürfnis stillen. Zukurzkömmlinge kühlen ihren Neid und kontern diese Zumutung am besten, indem sie sich freundlich erkundigen, was das hübsche Stück wohl kosten würde, wenn es echt wäre.
Die neue Oyster Perpetual Day-Date 36, vorgestellt diese Woche, ist nun allerdings so gestaltet, dass die Frage, ob das Ding ernst gemeint ist, ihre Berechtigung hat. Das ist vermutlich Absicht und wird von der Öffentlichkeitsabteilung des Uhrmacherhauses so formuliert: „Rolex fügt einem seiner ikonischsten Modelle einen überraschenden Twist zu“. Könnte man auch sagen, dass Rolex seine erste Spielzeuguhr auf den Markt wirft?
Damit haben sie jedenfalls das Interesse von uns vergleichsweise zahlungsschwachen Kulturprolls in der Redaktion der Berliner Zeitung geweckt. Und mit dem netzhautreizenden Bild der Uhr aus 18 Karat Gelb-, Weiß- oder Everose-Gold: Das Ziffernblatt besteht aus kindergartenbunten Puzzleteilen und ist mit zehn Saphiren im Baguette-Schliff belegt, die in ihren sechs verschiedenen Farben aussehen wie Süßigkeiten. Allein der Farbenfrohsinn schafft bei den Vornehmtuern Gegenwind.
In der Community der Rolex-Sammler wird in den einschlägigen Internetforen nicht wenig Verdruss über solche Stilbruchfreude laut. Sie reichen von kurzen Wortmeldungen wie „Hate it“ oder „Whylex?“ bis zu tiefergehenden Thesen, die sich zum Beispiel mit Autismus (Puzzle) oder Sonderpädagogik befassen und Rückschlüsse auf die potenziellen Kunden ziehen. Wieder andere reduzieren ihre Stilkritik, den von Rolex angeschlagenen Ton aufnehmend, auf kotzende oder würgende Emojis beziehungsweise den allfälligen Grinsekackhaufen. Einer fragte die böse Frage, nämlich, ob diese Uhr echt sei, weil er vor Jahren eine ähnliche von Swatch gesehen habe.
Dabei haben wir noch gar kein Wort über den eigentlichen Clou dieser Uhr verloren, die nämlich nicht nur die Zeit anzeigt. Sie ist mit einem sogenannten Mood-Fensterchen ausgestattet, das sich dort findet, wo man die Zwölf vermutet und herkömmlicherweise die Wochentage angezeigt werden. Stattdessen weist das Uhrwerk täglich eine neue Grundstimmung aus, als da wären: „Happy“, „Eternity“, „Gratitude“, „Peace“, „Faith“, „Love“ und „Hope“. Dass die Woche ausgerechnet mit „Happy“ beginnen soll, ist natürlich doch wieder ein kalter Rippenstoß gegen die Angestelltenseelen. Die Ewigkeit liegt auf dem Dienstag, mittwochs soll man schon dankbar sein, am Donnerstag Frieden geben und dann glauben, dass schon Freitag ist. Das Wochenende wird in aller Routine mit Liebe eingeläutet, und für den Sonntag bleibt die Hoffnung übrig.
Macht das Spaß?
Kombinieren kann man diese Inspirationen mit 31 Emojis, die im Datumsfensterchen bei der Drei miteinander abwechseln und möglicherweise die Grundstimmung konterkarieren oder noch verstärken. Wer möchte da nicht weiterführende Auskünfte geben, wahlweise über die eigene emotionale Verfassung oder die des Gegenübers, wenn er nach der Uhrzeit gefragt wird?




