Berlin-Der PEN, die Vereinigung der Poets, Essayists, Novelists, ist eine internationale Organisation, die vor 100 Jahren gegründet wurde. Doch nun zählt der Regierungschef von Belarus Alexander Lukaschenko das PEN-Zentrum in seinem Land zu den angeblich aus fremden Ländern finanzierten Organisationen, die „Unruhe stiften und Terror statt Demokratie fördern“. Das Büro wurde in der vergangenen Woche durchsucht, das Konto in Minsk gesperrt. Wir fragten dazu Ralf Nestmeyer, den Vizepräsidenten und Writers-in-Prison-Beauftragten des deutschen PEN.
Was wissen Sie derzeit über Ihre Kollegen?
Die Nachrichten, die uns über verschiedene Kanäle aus Belarus erreichen, sind sehr beunruhigend. Einige Autoren haben Belarus bereits aus Angst vor Folter und Haft verlassen. Die Schriftsteller und kritischen Intellektuellen, die im Land geblieben sind, müssen jederzeit mit ihrer Verhaftung rechnen.
„Literatur kennt keine Landesgrenzen“, heißt es im ersten Satz der PEN-Charta. Lukaschenko scheint davon nichts wissen zu wollen.
Vorwürfe wie jene von Lukaschenko werden derzeit von verschiedenen Despoten weltweit erhoben, um oppositionelle Bewegungen zu unterdrücken.
In Ihrer Charta heißt es auch, die „Mitglieder verpflichten sich, jeder Art der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in ihrem Lande, in der Gemeinschaft, in der sie leben, und wo immer möglich auch weltweit entgegenzutreten“. Wie reagieren Sie jetzt?
Wir haben bereits mehrfach mit Pressemitteilungen und Statements in den sozialen Medien protestiert und die EU sowie die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, den politischen Druck auf Lukaschenko zu erhöhen.
Sind die PEN-Clubs untereinander in Beratung dazu?
Ja, über unsere Zentrale beim internationalen PEN in London werden verschiedene Aktionen koordiniert und Informationen ausgetauscht. Auch Mitglieder des deutschen PEN-Zentrums haben direkten Kontakt zu verfolgten Autoren sowie der Union belarussischer Schriftsteller.
Die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch ist Präsidentin des PEN Belarus. Als sie im Herbst 2020 nach Berlin kam, nannte sie das kein Exil, sondern einen vorübergehenden Aufenthalt. Wissen Sie schon, was sie zu den neuesten Entwicklungen sagt?
Nein, ich hatte persönlich bisher keinen direkten Kontakt zu Swetlana Alexijewitsch, die übrigens vor mehreren Jahren Stipendiatin in unserem Writers-in-Exile-Programm war. Swetlana Alexijewitschs Worte vom vorübergehenden Aufenthalt drücken die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Diktatur von Alexander Lukaschenko aus, um wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.

Der Protest in Belarus gegen die Wahlfälschung gehört seit einem Jahr zum Alltag, die Schreckensmeldungen über den Umgang mit Demonstranten und kritischen Stimmen reißen nicht ab. Man denke nur an Roman Protassewitsch, der sich mittlerweile wohl im Hausarrest befindet und seltsame Twitter-Nachrichten schickt. Haben Sie den Eindruck, dass internationale Reaktionen überhaupt irgendwas bewirken?
Doch, diese Proteste bewirken viel. Erst dadurch wird das Augenmerk immer wieder auf die schrecklichen Lebensbedingungen in Belarus gerichtet. Letztlich ist aber weiterer politischer Druck nötig, verbunden mit schärferen europäischen Wirtschaftssanktionen.
Welche Hilfen gibt es für Schriftsteller aus Belarus, die sich derzeit im Ausland befinden, wie etwa Sasha Filipenko?
Das deutsche PEN-Zentrum versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten so viel zu helfen, wie wir können. So lebt beispielsweise die belarussische Schriftstellerin Volha Hapeyeva seit Mai 2021 als Stipendiatin unseres Writers-in-Exile-Programms in Deutschland. Sasha Filipenko, dessen Bücher ich sehr schätze, soll im nächsten Frühjahr ebenfalls ein von uns betreutes Stipendium erhalten, um sich ohne Existenznöte dem Schreiben widmen zu können.

